The Connaught Bar - Agostino Perrone


The Connaught Bar

Agostino Perrone with Giorgio Bargiani and Maura Milia / 256 Pages / April 2024


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Heute wollten wir mal ein Barbuch so früh wie möglich besprechen, um Interessierten schnell weiterhelfen zu können. Wir stellen eines der wohl meist erwarteten Barbücher der letzten Jahre vor, nämlich das offizielle und erste Werk der weltberühmten Connaught Bar in London.

Jeder, der sich neben dem Mixen selbst auch nur ein wenig für Barkultur interessiert, wird sie bereits kennen. Ohne zu tief ins Detail zu gehen, denn hoffentlich besuchen und reviewen wir sie ebenfalls dieses Jahr: Die Connaught Bar gilt als eine der besten Bars der Welt und das nicht erst seit 1 bis 2 Jahren. Mehrfach zur besten Bar der Welt in der bekannten Worlds 50-Liste gewählt, residiert sie aktuell auf Platz 5.

Diesem Ruf entsprechend hat das Buch natürlich auch namhafte Vorwort-Schreiber, so zum Beispiel einen der meist dekorierten und bekanntesten Köche der Welt, Massimo Bottura. Da nicht sonderlich lang, möchte ich nichts vorwegnehmen. Doch sind seine 3 Seiten tatsächlich in ihrer persönlichen und bescheidenen Form eines der spannendsten und interessantesten Vorworte, die ich in Cocktailbüchern bisher gelesen habe.

Beispiel für Difficulty 3 (anklicken für Originalgröße)

Des Weiteren kommt Anistatia Miller kurz zu Wort, bekannte Cocktail-Schreiberin und -Historikerin, man denke an andere Größen wie Dale DeGroff, auch wenn sie hier in Deutschland nicht ganz so bekannt ist. Es folgen noch 2 kurze Seiten zur grundlegenden Philosophie der Connaught Bar und Gastgeberkultur, sowie eine Einleitung vom Autor selbst, die typische persönliche Background-Geschichte. Vor dem wirklichen Hauptteil haben wir dann nur noch „Tools of the Craft“, der obligatorische Part über die wichtigsten Gläser, Tools und Techniken (Shaken, Strainen, etc.), wirklich nur in allernötigster Länge auf 5 Seiten, ohne Bilder gar. Das Buch ist eben nicht an jene gerichtet, die das noch lernen müssten, auslassen kann man es aber irgendwie auch nicht.

Wirklich gestartet wird dann mit Chapter 1 (von lustigerweise nur 2) und das ist besonders interessant, da es nur um einen Drink geht: Den Connaught Martini, über 7–8 Seiten. Einer der „Staples“ der Bar, wird er dort mit einer für den Gast auswählbaren Selektion an selbstgemachten Bitters gemacht (deren Rezeptur natürlich bzw. leider nicht offengelegt werden). Der spezielle Fokus auf nur einen Signature Drink als DAS Gesicht der Bar ist nett und mal was anderes und auch ein Verweis zurück auf Stellen im Vorwort von Chef Bottura.

Beispiel für Difficulty 1, einer der simpelsten Drinks (anklicken für Originalgröße)

Nun zum Star des Buchs, der Teil, der quasi 99 % des wichtigen Inhalts ausmacht, Chapter 2 mit 100 Signature Rezepten aus der Connaught Bar. Jedes Rezept – das ist wundervoll und gibt es nur sehr, sehr selten – bekommt eine Doppelseite, Foto rechts, exakt gleich, über all die Seiten. Dazu bekommt auch jedes einen Text in angenehmer Länge, mal mit der Geschichte wie man auf die Idee kam, zum Großteil aber insbesondere auch die Struktur des Drinks beschreibend und wie jeder Teil zum Ganzen beiträgt. Das ist vorbildlich in Länge und Ausführung und hilft ganz nebenher weiter zu inspirieren und weiterzubilden. Man lernt mehr, als wenn man einfach nur die Rezepte selbst durcharbeitet.

Es gibt wie erwähnt nur Signature Rezepte, kein einziger Drink ist „so ist unser Manhattan“ und es folgt ein typisches Rezept, nur eben mit eigener Ratio und Marken. Gleichzeitig wird aber oft erklärt auf welcher groben Basis der Signature Drink basiert. Teils wird das schon amüsant, wenn z. B. aus einem Klassiker mit 3 Zutaten ein Drink entsteht aus einem Premix aus 7 Teilen, davon 2 exotische Zutaten, 5 infusioniert oder anders bearbeitet und noch eine kulinarische Dekoration dazu.

Dabei wird jeder Drink zweifach eingeteilt, in Schwierigkeit und ABV je von 1 (niedrig) bis 3 (hoch). Man könnte jetzt meinen, es gibt dann sicher von Schwierigkeit 3 am wenigsten Drinks … Falsch gedacht. Wir sind hier im Connaught. 38 Drinks mit Difficulty 3, wer rechnen kann (100 gesamt) merkt, also sogar mehr als eben 1/3. Die Levels sind dabei durchaus nachvollziehbar und gut gewählt. Hier gilt festzuhalten: Für Leute, die einfach nur was Frisches im Supermarkt kaufen wollen und so einige Drinks machen, ist (wenig überraschend) das Buch natürlich weniger. Tatsächlich gibt es Drinks, für die man mit einem Besuch im Supermarkt und ohne aufwendige Vorbereitung von einzelnen Zutaten losmixen kann, die befinden sich aber im einstelligen Bereich. Teils sind auch Rezepte an sich nicht so schwer, aber dann kommt plötzlich ein Garnish für das man eine durchsichtige Scheibe aus Isomalt und gerösteten Sesamsamen machen muss, usw.

Im Anschluss an die Cocktailrezepte finden wir noch die Rezepte für die hausgemachten Zutaten (alles findet sich hier, keine Vorbereitung wird in den Drinks selbst erläutert), Danksagungen, sowie ein guter Index. Einen kleinen Aspekt möchte ich noch hervorheben, der mir sehr gut gefiel: Auf einer Seite wird hier Sous Vide, ein Thermomix und sogar eine Ultrasound-Maschine als Zubereitungsmethoden für die einzelnen Zutaten vorgestellt und wie man damit umgehen sollte. Aber es wird auch angenehm offen gesagt und erklärt, wie man, sollte man das Gerät nicht haben, es auch mit einer jeweils simpleren Methode hinbekommen kann. Schön, dass man auch dafür offen ist und weiterhilft, in so einer gehobenen Institution.

Präsentiert und verarbeitet ist das ganze Werk extrem hochwertig. Das Buch hat eine perfekte Größe, um die Fotos glänzen zu lassen, aber gerade noch handlich zu sein. Die Oberfläche ist genial texturiert und sogar die 3 diagonalen Ebenen auf dem Cover verschieden hoch. Als wäre es tatsächlich eingewickelt. Die Fotos sind alle sehr ähnlich angelegt, nur äußerst dezent ändert sich die Textur mal im Hintergrund, der Drink immer der klare Fokus, wie ein Luxuskatalog.


Fazit:

Das erste Barbuch der Connaught Bar ist ein sehr gut ausgearbeitetes Werk, präzise und klar strukturiert. Letzteres liegt auch daran, dass es wenig zu strukturieren gibt, etwas mehr Historie zum Hotel selbst oder der Bar wäre nett gewesen. Trotzdem sind die Fotos und das Layout als Doppelseite pro Drink plus Foto zu jedem Drink Luxus, ebenso wie das Äußere und Design des Buches.

Um es nochmal klar zu sagen: Das Buch ist absolut nicht nützlich, wenn man der Home-Bartender ist, der gerne nur aus dem lokalen Supermarkt einkaufen möchte und auf simple Mazerationen und Sirups zurückgreifen und mehr nicht. Doch selbst der kann glücklich werden, wenn er sich vom absolut besten inspirieren lassen möchte, das es in der Barwelt so gibt. Rein barkulturell ist das Buch seinen Preis schon wert, das hochwertigere Äußere und die spannenden 100 Rezepte auf mehreren Schwierigkeitsgraden machen es dann zu einem No-Brainer.

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