Café-Guide: Paris, France
Wir haben Athen und Barcelona behandelt, jetzt gehen wir weiter "nach Norden" und ins urbane Herz Frankreichs nach Paris, einer Stadt, die (unter anderen) vor Jahrhunderten Kaffeehäuser ikonisch gemacht hat. In einer Stadt, die auf den kreativen Koffeinkick angewiesen ist, gibt es absolut keinen Mangel an Kaffee, aber lange Zeit war es eher ein "Vibe" und nicht das hochwertige Gourmet-Erlebnis, das man mit der weltweiten Feinschmecker-Hauptstadt assoziieren würde.
Paris hatte lange einen relativ schlechten Ruf, weil es keine ernstzunehmenden Third-Wave-Cafés gab. Das ist natürlich längst ein Klischee, und die größte Herausforderung sind nicht die sturen Pariser, die ihren Kaffee nur schnell und billig mögen, sondern die Massen von Touristen, die die ausgefallensten Geschmacksrichtungen und verrücktesten Kreationen verlangen.
Café Nuances
Funky ist, was die Leute wollen, funky ist, was die Leute bekommen. Ich habe einmal gesehen, wie dieses Café in den sozialen Medien als "Ort für Locals" angepriesen wurde. In Wahrheit ist es eher ein eindeutiger Touristenspot. Das bedeutet nicht, dass dort schlechter Kaffee serviert wird, es gibt eigene, soldie Blends an Bohnen, usw. Aber seien wir ehrlich, die meisten Gäste kommen wegen der (zugegebenermaßen wirklich beeindruckenden) Architektur und wegen Dingen wie Matcha.
Das Café, in das wir gegangen sind, liegt direkt an den Haupteinkaufsstraßen und genau das bekommt man auch: die Atmosphäre eines wichtigen Flagship-Stores. Jeder Standort hat seine eigene Ästhetik, der Kaffee bleibt derselbe. Es gibt auch cooles Softeis a la Affogato, das auch Leute überzeugen kann, die keine Fans von traditionellem Kaffee sind.
KB CaféShop
Dieses Café taucht in jeder Liste auf, egal ob man European Coffee Trip durchschaut, Nerds in einem Forum fragt oder sich einfach die typischen Empfehlungen von Expats ansieht. Es ist tatsächlich so beliebt, wie sein Ruf vermuten lässt, von der ersten bis zur letzten Minute des Tages. Da ich in Montmartre wohnte, habe ich KB fürs Frühstück und ein bisschen Arbeit ausgewählt, und es hat mich beide Male, als ich dort war, mit einem angenehmen Flat White und einer guten, wenn auch geschäftigen Atmosphäre überzeugt.
Die Kunst an der Wand (auch online verfügbar) hat mir besonders gut gefallen, und ich hätte mir gewünscht, dass sie zwischen den vielen Gästen einen prominenteren Platz bekommen hätte. Hier bestellt man vielleicht besser keinen von Hand aufgebrühten Kaffee und erwartet auch keinen ruhigen Platz zum Sitzen. Es gibt noch weitere Filialen, die einen Besuch wert sind, und da KB eigene Röstungen hat, bieten sich auch eine Vielzahl von Bohnen zum Ausprobieren an.
Momus
Eine weitere Location in Montmartre, nur ein paar Schritte von KB entfernt in der Rue de Martyrs. Die Straße ist gesäumt von allerlei schicken Geschäften für jeden Bedarf, sodass eine saubere, "hochwertige" Rösterei mit Espressobar gut zu diesem Publikum passt.
Es hat jedoch nichts mit dem alten, künstlerischen Montmartre und seinen gemütlichen, leicht romantischen Cafés zu tun, nur um das festzuhalten. Das Personal war sehr geduldig und freundlich, und aufgrund der Größe des Ladens können nur ein oder zwei Kunden oder Kundinnen tatsächlich sitzen und Kaffee trinken. Daher fühlt es sich eher wie ein Verkostungsraum an, in dem man probieren kann, welche Bohnen man anschließend kaufen möchte. Der Espresso war ausgewogen, wenn auch für den Preis nicht ganz überzeugend. Zu jedem Espresso wird eine Schokolade serviert, was das Erlebnis nett und simpel aufwertet.
Noir - Coffee Shop & Torréfacteur
Ein weiteres Café, das die meisten an seiner Fassade und seinem Äußeren erkennen werden und das in so ziemlich jeder Zusammenstellung der "ästhetischsten Cafés" in den sozialen Medien zu finden ist. Dieses Café befindet sich in der Rue Richer, aber es gibt inzwischen Dutzende weitere Standorte (ohne die schicke Fassade oben), egal wo in der Stadt man sich aufhält.
Der Kaffee ist der eines typischen Franchise-Unternehmens, was zu erwarten war, mit vielen brasilianischen Schokoladenaromen, bei denen man sich überlegen muss, ob er sein Geld wert ist. Paris hat auch den Luxus, so viele großartige historische Gebäude für die Beherbergung moderner Konzepte zu haben, und unser nächster Eintrag bietet beispielsweise eine wunderschöne Lage, aber zusätzlich mit wirklich, wirklich gutem Kaffee. Noir schlägt Starbucks und ähnliche Ketten jedoch immer noch um Längen.
Certified Café
"Der beste Flat White" in Paris. Das ist eine gewagte Behauptung oder auch eine gute Werbung, um alle Aussies ins Geschäft zu locken. Certified befindet sich in der Passages des Panoramas, wo es alleine schon Spaß macht, durch die Gänge zu schlendern, die eine historische Atmosphäre bieten, die Noir z.B. nicht ganz erreicht.
Das Café ist hell und modern und bildet somit einen gewissen Kontrast zu seiner Lage. Tatsächlich war der Flat White wahrscheinlich der beste, den ich in der Stadt getrunken habe (allerdings nicht viel besser als KB), auch wenn der Preis eine hochwertigere Kaffeemischung vermuten lässt. Aber so ist Paris eben und so ist der Kaffeemarkt aktuell nun einmal.
Brûlerie de Varenne
Der perfekte Ort für einen schnellen Kaffee nach einem Besuch im Le Bon Marché. Auf der Rive Gauche tickt die Zeit anders, und das gilt auch für diesen Ort. Ich war versucht, diese Brûlerie (man beachte den korrekten französischen Begriff anstelle des typischen "Café" oder "Roastery" im Namen) gar nicht erst aufzunehmen, da es sich in erster Linie um einen charmanten Laden für Kaffeebohnen und nicht um ein Café handelt.
Es gibt keine Karte, keine Preisliste, man kommt einfach herein, bestellt einen Espresso und beobachtet, wie die Leute aus der nahe gelegenen italienischen Botschaft dasselbe tun. Jeder Zusammenhang zwischen gutem, dunklem Espresso und der Botschaft würde freilich von den Parisern und Pariserinnen bestritten werden. Hier bitte keine Third-Wave-Experimente, sondern einfach nur perfekt gebrühten Kaffee ohne den Trubel der größeren Marken erwarten und das ist auch genau richtig so.
Kawa / Tanat Coffee
Als wir dort waren, hieß es "Kawa", seitdem änderte sich dies in "Tanat" (die Rösterei trägt ebenfalls diesen Namen). Da das Branding der Bohnen und des Cafés unverändert geblieben ist, gehe ich davon aus, dass das Unternehmen lediglich seinen Namen geändert hat, aber um ganz sicher zu gehen: Wenn man dort vorbeischaut, könnte es sein, dass man eine ganz andere Erfahrung macht.
Ich würde dies als die raffiniertere Version von so etwas wie KB betrachten. Sehr gute, vielfältige Röstungen, für jeden Geschmack etwas dabei, wobei die täglich wechselnden Kaffeesorten bei den Gästen sehr beliebt sind. Wenn es eine aufregendere Bohne gibt, dann kann sie entsprechend und kompetent serviert werden. Der Cold Brew, den ich hatte, war mild und leicht nussig, mit quasi keiner zu findenden Schwäche.
Seamer Coffee Shop
Das Schild vor dem Laden sagt: "Der beste Kaffee ist der Kaffee, den du magst". Das fasst es ziemlich gut zusammen. Ästhetik spielt hier eine wichtige Rolle, die Inneneinrichtung ist sehr ansprechend, modern und erinnert an eine minimalistischere, geschmackvollere Version von Noir (was die Aufteilung auf zwei Etagen angeht). Wie man auf den Bildern erkennt, sieht alles - vom Tablett über die Tasse bis hin zur Garnierung - gut aus, selbst wenn jemand wie ich nur schnell ein Foto macht.
Suchen sollte man hier nicht nach Third-Wave-Nerdiness, es geht um (hochwertige) Wohlfühlgetränke, zum Beispiel Matcha und Chai. Der Bananen-Latte, den ich hatte, schmeckte wie ein Milchshake, nur mit merklich mehr Geschmack als beispielsweise bei Starbucks. Wem das Design und die Art an eher spaßigen Café-Getränken das Geld wert ist, der oder die bekommt auch definitiv etwas entsprechendes für's Geld. Es war auch weniger überlaufen, also vielleicht ein attraktiver Ort zum Arbeiten.
Terres de Café
Zwar letztes auf der Liste, aber erstes in Sachen Geschmack. Ich hatte vom guten Ruf gelesen, und Terres de Café genießt einen wirklich hohen Bekanntheitsgrad. Ich war jedoch angenehm überrascht, dass der Laden in der Rue Tiquetonne nicht überlaufen war und sich eher auf hochwertige Produkte als auf zu "ausgefallene Ästhetik" konzentrierte. Ich bestellte die "Signature"-Röstung, die etwa 10 Euro für einen Flat White kostet, und wurde höflich gebeten, ihn nicht zum Mitnehmen zu bestellen, sondern mich hinzusetzen und ihn in Ruhe zu genießen. Diese Bohnen wurden auch regulär verkauft (er war nicht einmal der hochwertigste im Online-Shop, aber der hochwertigste im Café).
Das ist die Art von Kundendialog, die ich mir für mehr Geschäfte wünschen würde. Das Branding bei Terres de Café besteht aus geschmackvollem Gold und eher typischen Bildern von Farmen an der Wand, also nicht unbedingt etwas, das sofort ins Auge fällt. Es handelt sich um eine große Marke mit einem gut ausgebauten Online-Shop, daher ist es lobenswert, dass die Qualität des Kaffees im Laden selber auf diesem hohen Niveau bleibt.
Obwohl es sich um einen Flat White handelt, also "nur Espresso mit Milch", kamen die tiefen fruchtigen Aromen kraftvoll zur Geltung und unterstrichen nicht nur die Röstung, sondern auch die Art und Weise, wie er serviert wurde. Natürlich könnte man argumentieren, dass die zusätzliche Investition in das "Premiumprodukt" diesen Kaffee zum besten gemacht hat, den ich während meiner Reise in Paris getrunken habe, und das ist ein berechtigter Einwand. Aber ich habe hier auch eine authentischere Liebe zu den Zutaten gespürt als an anderen Orten. Außerdem hat mir im Kontrast auch die Brûlerie de Varenne sehr gut gefallen, die preislich das genaue Gegenteil von "Premium" ist.
Als honorable mention und zum Abschluss des Artikels gibt es noch einige Orte, über die es sich zu schreiben lohnt, die es jedoch nicht in den eigentlichen Guide geschafft haben. Auch wenn ich selbst noch nicht dort war, empfehle ich blind das Substance Café. Während unserer letzten Reise hatten sie (wohlverdiente) Ferien, sodass ich leider nicht hingehen konnte. Aber das ist das gehobene, sterneverdächtige Kaffeeerlebnis, das Paris seit Jahrzehnten gebraucht hat. Macht es am besten zur ersten Priorität beim nächsten Paris-Besuch.
Am anderen Ende des Spektrums gab es die Brulerie Saint Roch, eine Art "Speakeasy-Café", das in einem Tabakladen versteckt war. Ich habe 30 Minuten lang danach gesucht, konnte es aber nicht finden, und einige Zeit später hat Google den Standort als dauerhaft geschlossen aktualisiert. Wer weiß also, ob es jetzt nur schwerer zu finden ist oder an einem anderen Ort existiert? Auf jeden Fall braucht die Stadt solche traditionellen Orte, damit nicht der Geschmack der Touristen bestimmt, wie französischer Kaffee schmecken soll.
/jf
LIST:
| Café Nuances: Location / Instagram
| KB CaféShop: Location / Instagram
| Certified Café: Location / Instagram
| Brûlerie de Varenne: Location / Instagram
| Tanat (former Kawa): Location / Instagram
| Seamer: Location / Instagram
| Terres de Café: Location / Instagram
Bonus:
| Substance Café: Location / Instagram

