HENNE.Weinbar, Cologne, Germany


Last Visit: Fall 2025

Die HENNE.Weinbar findet sicb tatsächlich in einer Ausgabe der Mixology (05/23), dabei ist sie doch gar keine Cocktailbar? Das liegt daran, dass sie mal eben als Beispiel hergenommen für die Zukunft der Gastronomie als solches. Nicht gerade niedrige Erwartungen, die sich daraus ergeben. Stellen sich gleich zwei Fragen: Kann sie diese erfüllen und warum wurde die 2018 eröffnete Weinbar mitten in der Kölner City überhaupt als Vorzeigebeispiel aufgegriffen?

In den Fokus stellte man dort insbesondere die Einfachheit des Konzepts: 12 bis 0 Uhr geöffnet, zwar gibt es offiziell eine "Lunchkarte", die aber einfach reduziert weniger Speisen und vor allem ein günstiges Lunch-Menü anbietet, fast alle der Positionen finden sich auch in der Karte ab 15 Uhr. Dann gibt es insbesondere keine Aufteilung in die klassischen Gänge, sondern "#sharing", "#kalt", "#warm" und "#süß".

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Das verleiht tatsächlich ein gewisses Gefühl von Freiheit. Man kann hier jederzeit auch nur auf 1-2 Gläser Wein vorbeikommen (oder meine liebste Kombi: Wein + #süß…) oder sich eben zwei kalte Kleinigkeiten am Mittag gönnen. Bestelltes mischen wie man lustig ist, alles gleichzeitig am Tisch zum teilen mit jemandem oder nacheinander nach Wunsch und das alles jede Woche von Montag bis Samstag, keine Sonderregeln, nichts. Wenn es doch nur immer so einfach wäre. Wenn ich daran denke, wie oft ich mich insbesondere in beispielsweise München gefühlt eine halbe Stunde durch Websites lesen musste, um ungefähr eine Idee zu haben was ich jetzt wann bekomme. Nur um dann vor Ort doch festzustellen, dass diese Informationen nichtmal up-to-date waren… zum Ausrasten!

Aber ein paar Schritte zurück. Vor der HENNE war das Spitz da, ein gutbürgerliches Restaurant, wie es sie heute (leider) immer seltener gibt. Entweder man geht eine Stufe günstiger und noch mehr casual, ergo direkt in ein Gast-/Brauhaus oder muss wiederum in die wenigen, edleren Lokalitäten gehen. Aber gut gemachte, hochwertige und doch nicht zu künstlich hochgepushte, bürgerliche & mitteleuropäische Restaurants gibt es gefühlt nur noch selten. Dabei ist klassisch deutsch-österreichische Küche nicht einmal sonderlich mein Fall. Trotzdem war es mir damals schade um die eh schon schwindende Kategorie und demensprechend skeptisch war ich, als die HENNE kam und mit Hashtags (wie oben bereits zu sehen) und Sharing-Konzept um sich warf.

Damals wirkte der Kontrast und das moderne Projekt mir etwas zu aufgesetzt, heute haben Hashtags im Gegensatz zu ihrer Hochzeit vor 6-8 Jahren fast schon wieder charmanten Vintage-Charakter. Sie dienen hier übrigens auch noch zur Kategorisierung der Weinfamilien. Statt altbacken nach Ländergrenzen aufzuteilen, wird hier z.B. in #classics #icons und #freakshow unterteilt und tatsächlich finde ich die jeweils gewählten Flaschen sehr sinnig einsortiert. Die "Freakshow" versprach immer ein spannendes Erlebnis, ob aufgrund von Rebsorte, Herstellungsverfahren oder nur ungewöhnlichem Geschmacksergebnis.

Bleiben wir doch direkt beim Wein, denn immerhin nennt sich die HENNE ja eben stolz primär "Weinbar" und den Spoiler vorneweg: Eine der besten in mindestens NRW, wenn nicht gar Deutschland, ist sie dabei definitiv und das durchgängig seit Eröffnung. Die Mischung aus klassisch passendem zum Essen, über spannende "Nischenweine" - ob Natural oder nicht - zu fantastischen kleinen, unbekannten Perlen und dann auch eben jenen Ikonen, sie gelingt perfekt und wechselt sogar ca. alle 1-2 Monate voll durch (bei ca. 15-16 Positionen ohne Schaumweine gezählt) was die by-the-glass Auswahl angeht. Der Mix macht es hier, zu oft habe ich bei Weinbars gefühlt nur den Kontrast aus entweder sehr hip-junger Location mit ausschließlich Naturweinen o.ä. oder direkt die überseriöse Weinbar mit meist auch recht übertrieben bepreisten Klassikern gesehen.

Ich würde so viel öfter beispielsweise in Köln - einer eigentlich Wein-affinen Stadt - in Weinbars gehen wollen, leider haben zu viele schon nach kürzester Recherche Gläser zu 8,50€ anzubieten, bei denen ich die ganze Flasche für einen lausigen Euro mehr auch direkt mit Freunden daheim teilen könnte. In der HENNE ist auch was diesen Faktor betrifft die Mischung ausgewogen. Von Trinkweinen zum Essen für ca. 7€ das Glas beginnend (die Flasche im Handel ca. 13-19€) bis zu absoluten Highlights für Kenner für nur 9,50€, die im Handel teils bis zu 35€/Flasche kosten. Einer meiner absoluten Lieblingsrosés war beispielsweise der Rosé Dos Villoes 2022 aus Tinta Negra-Trauben, angebaut auf der wunderschönen Insel Madeira. Ich trinke quasi keinen Rosé aufgrund der oft zu findenden Eindimensionalität, freue mich daher aber umso mehr über spannende Vertreter (wie hier zu sehen/lesen). Was ein Charakter! Intensive Salzigkeit des Meeres, vegetale Noten, Tiefe, Komplexität und dabei doch so trinkbar. Ähnlich individuell der Ca'n Verdura Supernova 2024 – Mantonegro, von dem direkt ein paar Flaschen besorgt werden mussten für den eigenen Keller. Angebaut in kleinsten Parzellen auf Mallorca in der D.O. Binissalem mit alten Reben zwischen 30 und 70 Jahren auf dem Buckel und in sehr speziellem Boden. Blutorange, Mandarine, Cherrytomaten, feine Würzigkeit und wieder viel Küstensalz, man erkennt die Einzigartigkeit.

Dazu wie in den Fotos unten zu sehen wechselnde, offene family-owned Champagner, usw. Danken kann man für diese wechselnde, kleine Schatzkammer übrigens Fabrice Thumm. Der ist seit Beginn an als Sommelier für die Auswahl verantwortlich, ein Interview mit ihm kann man hier beim Meininger Verlag finden. Bei selten zu findenden, besonderen Weinbars wie der HENNE denke ich immer an die Worte von Justin Leone aus dem Sticks & Stones, als ich letztes Jahr zu Besuch war und man über die Masse an schlicht absolut uninteressanten Weinbars oder auch Restaurants mit vermeindlichem Fokus auf Wein sprach. Viele spielen es zu safe, von Auswahl der by-the-glass Weine bis zur Bepreisung. Ja, es ist einfach mehr Arbeit etwas besonderes anzubieten, die Gäste hierfür zu finden und es stetig auf dem Level am Laufen zu halten, man muss eben Leidenschaft reinstecken und die hat Fabrice ohne jede Frage.

Aber nicht nur er, sondern natürlich auch Hendrick Olfen selbst. Vor der HENNE standen trotz seines jungen Alters schon diverse Stationen vom Kreuzfahrtschiff bis zu gleich zwei Sterne-Etablissements in seiner Vita als Koch, einerseits das Kölner La Societé, sowie das inzwischen geschlossene La Vision im Wasserturm-Hotel. In seiner ersten Eigengründung mit dem HENNE kocht er dabei mit seinem Team vor allem wonach einem kreativ gerade ist, Hauptsache frische, saisonale und hochwertige Zutaten. Nie zu aufgesetzt, aber auch nie zu einfach. Ein klein wenig verspielt manchmal und doch nie mit diesem extra Wink Richtung Michelin, wie man es manchmal aus "ambitionierten" Gastro-Spots kennt. Gelistet sind sie übrigens sogar trotzdem im bekanntesten Restaurant-Guide der Welt, sogar mit einem Bib Gourmand (also für besonders gutes PLV), dem ich nur zustimmen kann.

Die Bandbreite, die sich aus der Spontanität ergibt, ist dabei so groß, dass man in den meisten anderen Restaurants unter sogar eher 2 Sternen direkt skeptisch wäre. Auf einer einzelnen der oft wechselnden Karten kann es von Frankreich mit Entenleber-Terrine, nach Asien mit Pork Belly, wieder nach Spanien und dann in die heimatliche Küche (die Kalbschnitzel-Interpretation ist mit der einzige Dauergast auf der Karte) gehen. Immer mit einem mindestens kleinen Riff auch bei der einen oder anderen klassischen Herkunft. Hier funktioniert diese Globalität aber immer dank des Handwerks, der Lockerheit und natürlich der zugrundeliegenden Qualität der Zutaten. Die meisten Gerichte liegen dabei im 10-20€ Bereich, Fleisch und Fisch bei ca. 20-30€.

Dabei ist es übrigens auch kein Zufall, dass unten von 4 Fotos ganze 3 aus dem "#süß"-Bereich kommen. Mag ich Süßes vllt. etwas zu gerne? Möglich. Aber um meine absolut rationale Verteidigung vorzutragen: Erst vor wenigen Monaten hatte ich ein Video auf dem bekannten Youtube-Essay-Kanal Vox (nicht mit dem dt. Sender verwechseln) aufgesogen, das der Frage gewidmet war, die sich wohl alle Süß-Fans wie ich stellen: "Why has every restaurant the same desserts?" Wenn es einem nicht schon von selbst vor langer Zeit wie Schuppen von den Augen fiel, dann wohl spätestens wenn man diese Überschrift liest. In der Tat habe ich erst letzte Woche beispielsweise bereits freudig eine Reservierung in einem Sterne-Restaurant mit einer sonst tollen Karte getätigt, aber bei den Desserts schläft man wieder direkt ein: Crème Brûleé, hausgemachte 2-3 Eissorten, am besten direkt noch ein Mousse au Chocolat, argh! In der HENNE das genaue Gegenteil, immer etwas neues, interessantes, möglichst saisonales und sinnvolles. Glasierte Birne im Wermutschaum mit Mandel-Kokosnuss-Kaffirlimette-Eis (der vllt. längste Eisname der Welt?), Erdbeeren in perfekter Reife mit Basilikumöl, tiefgefrorener Ziegenmilch, Ganache und einer Praline, you get the idea.

Vieles, was mir an der HENNE gefällt, habe ich schon aufgezählt, vieles gäbe es noch aufzuzählen. Wie die immer sehr angenehme Stimmung und auch Aufmerksamkeit des Personals, das cool gemischte Publikum von jung bis alt, Details wie statt Standard-Spritz einen Manzanilla-Longdrink mit Melisse auf die Karte zu setzen oder selten zu sehenden Banyuls als süßes Finish der Weinkarte. Gar nicht geredet haben wir auch noch über die stilvolle Einrichtung. Das schöne, alte Holz und die grundlegend schon sehr spannende Architektur und Raumauslegung des Spitz sind geblieben, vom großen Eingangsbereich zu kleinen Gängen um einen Innenhof herum, inkl. Weintheke. Überall gibt es was zu sehen, an mehreren Punkten wurde das "Alte" um spannende Designelemente an Wänden und Decke (siehe oben) ergänzt. Auch hier: Ein echter Hingucker, aber ohne eben zu aufgesetzt zu wirken. Man sieht, ich könnte noch lange weitermachen, aber man soll bekanntlich aufhören wenn es am schönsten ist. Somit ende ich schlicht mit dem Auftrag: Ab in die HENNE.Weinbar in Köln!

/rds

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Euskalduna Studio, Porto, Portugal