Absinth Tasting

Herkunft: Frankreich, Schweiz, USA / 55-69% / Preis: ca. 30-60€


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Ich möchte hier nicht die große und spannende Geschichte des Absinth herunterrasseln. Viele Blogs, spannende Artikel und Bücher haben dies bereits getan und auch sicherlich besser, als ich es aus eigener Hand hier könnte. Gesagt sei, dass Absinth definitiv einer der Spirituosengattungen ist, die bis heute ein ganz bestimmter, mysteriöser und halb-esoterischer Flair umhüllt. Mit der Bar-Rennaissance folgte inbesondere auch ein neues Betrachten und neue Verliebtheit in dieses Vintage-Gefühl, das man bei Absinth bekommt. Für manche ist er die grüne Fee, la Fee Verte, für andere the green devil.
Besonders empfohlen sei jedoch dieser spannende Artikel vom Science History Institute, der einerseits ein wenig die Geschichte bearbeitet, aber insbesondere auch die spannende Frage über die Wirkung, Zusammensetzung und Chemie dahinter aufgreift, die ja zu den bekannten Verboten in der Geschichte geführt hat.


Fazit:

Die ersten 4 sind wirklich alle spannend als Spirituose auf ihre Art, insbesondere auch pur. Selbst den Pernod kann man auch pur genießen und der Grande Absente ist auch nicht komplett ungenügend, einfach sehr eintönig im Vergleich, da spiegelt der Preis die Qualität diesmal gut wieder im Test.

Aber selbst jener Grande Absente, wenn man wirklich auf sein Geld schauen muss/will, kann noch gut als Mixing-Absinth herhalten.

Beim Pernod stört mich gerade für das Mixen (pur war es noch interessant) diese Waldmeister-Beinote, die ich eher weniger als Absinth Beigabe im Cocktail gerne hätte.

Der St. George ist halt für hochwertige Cocktails entworfen worden und wird sich natürlich gerade im Sazerac, da er schon im Mund/Aroma ein halber Rye ist, top einbringen.

Aber auch gerade die anderen 3 bestbewerteten kriegen eine deutliche Empfehlung von mir. Ich bin mal wieder sehr überrascht, wie man mit allgemeiner, großer Spirituosenerfahrung inzwischen auch bei ganz neuen Kategorien so viel mehr Unterschiede entdeckt als man erwartet, bzw. früher gefunden hätte.


Absinthe Bourgeois

(Frankreich / 55% / ca. 40€ / 0,5l):

Nose:

Überrascht mich positiv als kein großer Fan von Anis/Lakritz/Absinth/etc., hat etwas einladendes, oldschooliges, keine reine Anis-Bombe, deutliche Anklänge von lange getrockneten Zitrusschalen sogar, dazu deutlich Fenchelsamen, fast etwas von Tabakblättern, Gurke, dahinter natürlich auch etwas Anis und sehr hochwertige Lakritz aber dezent, die weniger % als die anderen tragen auch zum einladenden bei

Taste:

Auch hier positiv überrascht, knackig, schöne Zitrustöne von Zitronen- und Limettenschale, Fenchel, Leinsamen, etwas Thymian und sehr frisches, nicht wie bei anderen so überkonzentriertes Anis, Wermutkraut, sehr schönes Mundgefühl auch mit 55%, cremig, seidig, fast wie Milch

Finish:

Auch hier tun die weniger % gut, kein Brennen, auch kein übermäßiger Hustensaftcharakter wie ich es von manchen kenne, schöne (frische) Kräutermischung in ätherischen Ölen, dazu Zitrusfrische, Eukalyptus

9/10 Punkte

St. George Absinthe

(USA / 60% / ca. 50€ / 0,7l):

Nose:

Wow, würde ich blind fast nicht auf Absinth kommen, hat was von einer eigenen Kategorie, als würde man tollen Rye mit Zitronenbalsam und mit einem Tick Absinth mischen, sehr aromatisch, hätte ich gerne als Parfüm (auch wenn es dann leichte Oma-Anklänge hätte), erinnert mich extrem an hochwertige Balsamcremes für Muskelregeneration, Zitronenöl, Fenchel, Thymian, Kumin, grüner Tee, Rosmarin, Lavendel, etwas Süßholz, allerlei getrocknete Blüten

Taste:

Hui, sehr intensiver Antritt, intensives Basilikum, Estragon, dahinter Anis, leicht säuerlich werdend, wie ein Brand von Stählemühle aus jenen Kräutern direkt, dahinter Wermut, Lakritz, etwas Zitronenschale, Lavendel, insgesamt aufjedenfall doch mehr Absinth als die Nase vermuten ließ, mehr Speichel macht ihn runder, mainstreamiger, Süßholz, Estragon, Tick Baumrinde, Eiche fast schon

Finish:

Fenchel schön nach vorne, fast schon was Zimt-artiges dabei, Sternanis, sehr nett, leicht bitter werdend, wieder an Eichennoten erinnernd, rund und abwechslungsreich

8.5/10 Punkte

Vieux Pontarlier

(Frankreich / 65% / ca. 58€ / 0,7l):

Nose:

Spannend, hat etwas erdiges, dunkles, schwarzer Pfeffer zermahlen und etwas frische Walderde mit Moos, angebrannter, brauner Zucker, sehr schwerer, dunkler Anis, Wermut und irgendwie dahinter aber auch etwas floral-süßes, frische Minze, manchmal kurz Madagaskar-Vanille und Zitrusschale in Zucker eingelegt, muss gestehen eine der schönsten, spannendsten und interessantesten Spirituosennasen, die ich außerhalb hochwertiger Whiskys bisher hatte

Taste:

Spicy Antritt, grüner und etwas weißer Pfeffer, Moos und Eukalyptus, schönes, frisches Anis und Limettenschale, dahinter dann deutlich Süßholz und etwas Wermut, später Fenchel und auch die floralen Töne kommen zurück mit mehr Speichel, Holunderblüten dazwischen, immer wieder kurze Spikes von grünem Pfeffer, Kardamom, etwas Kampfer, Zitrus und Pfeffer spielen im Wechsel mit Anis schöne, geteilte Ensemble-Rollen

Finish:

Minty, selbstgemachte Bio-Zahnpaste in den ersten Sekunden beim Runterschlucken im positiven Sinne, dann Leinsamen, Fenchel, Kampfer, die Limettenschale kommt schön wieder, Pfeffer ist jetzt nur noch im letzten Ton sanft eingebunden, etwas Dill wie von Aquavit kommt noch ganz am Ende

9/10 Punkte

Duplais Verte

(Schweiz / 68% / ca. 60€ / 0,7l):

Nose:

So unterschiedliche Aromen bei Absinths… habe hier sehr deutlichen Kakao und dunkle Schokolade, bisher noch bei keinem Absinth gekannt, Kaffeebohnen, eine dunkle Süße, nicht ganz so komplex wie manch anderer, aber sehr einladend und mysteriös, sehr aromatischer, fast Parfüm-artiger Anis und Wermutgeruch, klingt alles jetzt künstlich-süß aber ist es nicht, immer ist es vor der Grenze künstlich zu wirken und wird wieder in die Finsternis runtergezogen, etwas Thymian und Bleistiftmine

Taste:

Wouh, noch spitzer und spicier als der Pontarlier, eine ölige Spritze in die Zunge aus weißem Pfeffer, Wermutkraut, Sternanis, etwas Nelke und Fenchel, kommt mit Speichelfluss nach 6-8 Sekunden etwas runter, Lakritz kommen dazu, die semi-süße Sorte schon, eher schwarzer Pfeffer jetzt, grüne Paprika, Kakaobohnen nur noch dezent hinten, Zucchini, Tick Dill, Lavendel, brauner Zucker, Hauch Limette, aber gute Ecke weniger Zitrus als die bisherigen

Finish:

Dill kommt auf schöne Art mehr nach vorne, zusammen mit Fencheltee, braunem Zucker, Enzian, der hat wirklich was von hochwertigem Hustensaft, aber nicht so süß, eher schön trocken-balanciert mit schönen Kräutern aus dem ganzen Garten, lang, komplex, mild

8/10 Punkte

Pernod Supérieure

(Frankreich / 68% / ca. 35€ / 0,7l):

Nose:

Anis, fast eine Art Waldmeister recht deutlich dahinter, Nesseltee, etwas Gurke und Fenchel, säuerlich-vegetale und Hauch künstliche Mischung, etwas Wermutkraut

Taste:

Recht süßlicher Antritt, zieht sich bis zum Ende durch als Unterton, Sternanis, Wermutkraut, Lakritz, leicht holzige Töne, Gurke, etwas Dill, Nesseln wieder, Waldmeister ist noch im Hintergrund, aber deutlich dezenter, alles sehr ausbalanciert, fast nichts spielt sich in den Vordergrund

Finish:

Hier wird er einen Hauch rau, seltsam eichig-tanninig, lang getrocknete Kräuter, getrocknetes Sternanis ausversehen im Gebäck angebissen, Nesseltee weiterhin, Fenchel, bisher das unangenehmste Finish, nicht schlimm, aber deutlich unabalancierter als der Rest und die Tannine bleiben auch recht lang

7/10 Punkte

Grande Absente

(Frankreich / 69% / ca. 30€ / 0,7l):

Nose:

Deutlich die eintönigste der Nasen, Standard leicht gesüßter Anis, Wermut, etwas Fenchel noch, mehr nicht wirklich, ganz leichte Dill-Hintergrundnote

Taste:

Für die % recht runder Antritt, Anisbalsam, Fenchelsamen, Dill, Kräutertee, etwas Lakritz und weißer Zucker, Tick Zitronenschale, nicht sehr komplex, aber schon ganz gut balanciert

Finish:

Anis, Lakritz, Fenchel, etwas pappig und direkt, Dill, mittellang

6.5/10 Punkte


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