#63 | CiPiaCe, Brussels, Belgium


Last Visit: Spring 2025

Starten wir in unsere Berichte aus der belgischen Hauptstadt, mit einem echten, kleinen Juwel, dass mich auch gelehrt hat, nicht direkt mit zu viel Vorurteilen an neue Bars, vor allem in anderen Ländern, heranzutreten.

"Italian Restaurant, Brunch restaurant, Cocktail Bar, and Espresso Bar", damit beschreibt sich das CiPiaCe selbst online und um ganz ehrlich zu sein: Wenn ich das über eine Bar lese, wo ich für top Cocktails hingehen will, schließe ich sie in 90 % der Fälle schon im Voraus aus. Das kann ja nichts werden, wenn man soviel zu vereinen versucht. Dazu dann noch der typisch mediterran-urbane Stil auf Fotos, wie auch der Website. Direkt als erstes Titelfoto springt einem ein wundervoll lecker aussehender Teller mit Oktopus auf den Bildschirm. Nicht falsch verstehen, die Website ist modern, sehr nett gemacht, gleiches gilt für die Räumlichkeiten. Aber das schreit so sehr nach "nettem, italienischem Abendbistro"; in so einer Location habe ich noch nie einen tatsächlichen, guten und vor allem kreativen Craft Cocktail, der dieser Einordnung würdig war, bekommen. Bis jetzt!

Das CiPiaCe liegt im Brüsseler Saint Gilles Viertel, ein recht lebhafter, aber noch authentischer Stadtteil, in dem sich was tut: Es gibt nahe Wochenmärkte & Antiquitätenmärkte, einige Cafés und Lokale machen immer neu auf, es ist im positiven Sinne geschäftig. Hier finden wir beim Schlendern durch eine kleine Fußgängerzone die einladende, grüne Markise mit der passenden, alten grünen Tür daneben: Von außen würde ich hier blind nicht für "Mixology Drinks" hereingehen, weil ich solche Eindrücke von netten italienischen Bistros und Tagesrestaurants in Deutschland oder auch Frankreich kenne. Wo es dann sicher gutes Essen gibt, aber, was Drinks angeht, es spätestens beim G&T mit etwas Rosmarin oder einem Highball mit etwas Italicus aufhört. Alles dabei etwas süßer und braver als in "richtigen" Bars.

Dass hier vieles anders ist, liegt an den Gründern, Giorgia Giordano, ihres Zeichens italienischstämmige Mixologin und ihr Mann und Küchenchef, Andrea Petruzzi. Ihre Herkunft aus dem wunderschönen Apulien spiegelt sich natürlich im Menü wider, aber auch in der Herzlichkeit des restlichen Teams vor Ort.

Copyright (lower pictures): Guerrino / Gusto Cultura

Dies zeigt sich im überaus netten Empfang, der mich kurz nach Öffnung bereits erwartet hat, als auch dem steten Interesse am Gast. Es gab noch genug zu tun sicherlich, aber spätestens als ich erwähnte (auf Rückfrage), dass ich tatsächlich hauptsächlich nur für die Bars diesmal nach Brüssel bin, wurde abgefragt und getestet, ob ich denn auch die richtige Auswahl getroffen habe (sie wurde in der Tat komplett abgesegnet, Note 1 also). In der vllt. einen Stunde vor Ort habe ich mit mindestens 3–4 wundervollen Teammitgliedern, insbesondere Bartender Enzo gequatscht, als würde man sich schon von mehreren Besuchen kennen. Auch wenn die Chefin nicht da war, hat man die italienische Herzlichkeit und Direktheit gespürt, auch als mir auf Bitte beim Abschied sofort ein Menü als Souvenir mitgegeben wurde.

Doch kommen wir zum Menü und das hat es in sich, satte 32 Drinks, zählt man die paar nicht-alkoholischen mit, davon alleine 6 Signature Negroni Riffs, ganz Italien eben. Bei den Drinks ist dementsprechend ein breites Spektrum dabei, von leichteren Spritz-artigen (aber trotzdem immer mit kleinem Twist) Cocktails zum Essen und Entspannen, bis zu spannenden und kräftigeren stirred Drinks (abseits der Negronis, wie wir gleich unten sehen werden). Abseits der sehr großen Drinkauswahl gibt es natürlich diverse Speisen. Kleine Snacks, die perfekt als Ergänzung zu einem primär für die Drinks gedachten Besuch funktionieren, wie meine kleinen Bruschetta mit tollem, würzigem Käse und Walnüssen, bis zu diversen vollwertigen Gerichten. Alleine 10 Antipasti mit besten, frischen Zutaten, wie ich live sehen konnte, Oktopus, sowie eine kleine Auswahl spannender Pastas. Alles ist verwurzelt in Italien (und öfters speziell Apulien) und hat doch fast immer eine spannende Eigeninterpretation dabei. Das kann ein kleiner Riff, oder mindestens eine, wenn nicht mehrere Zutaten sein, die man in "normalen" oder sehr traditionellen italienischen Bistros/Restaurants nicht finden wird.

(Menüfotos anklicken für Originalgröße:)

Balsamic Manhattan

| Maker’s Mark Bourbon Whiskey
| Bordiga Elcesior Nebbiolo Vermouth
| White Balsamic Modena Vinegar
| Valdespino Sherry
| Fernet Branca Drops

Ein fantastischer Manhattan Riff und einer meiner liebsten Drinks des Trips. Dies einfach schon, weil er einen so überrascht. Oder eben auch nicht, denn eigentlich steckt ja alles im Namen. Aber dieses Gegenspiel von einem Manhattan, den man eigentlich mit eher Schwere, Eleganz und einer gewissen Süße verbindet, sowie dem dann aber direkt im Antritt wundervoll frisch-knackigen Balsamico, begeistert einfach. Es ist ein wenig der klassische Manhattan auf den Kopf gestellt, die Säure belebt einen regelrecht, ist aber nie aggressiv wie manch mieser Shrub-Einsatz in anderen Bars beispielsweise. Man merkt auch zu jedem Zeitpunkt die Wertigkeit der Zutaten, der Nebbiolo Vermouth, natürlich der Balsamico Essig, aber auch der Sherry (einer meiner liebsten Bartender schwört ja auch auf Valdespino …). Die paar Drops Fernet bringen dann nochmal elegante Minze und sind so perfekt gesetzt, dass man nie wirklich an Fernet an sich denkt. Toller Cocktail! Einen dicken Bonuspunkt gibt es für den erstklassigen "Martini-Service", aka das Glas nach 10 Minuten gegen ein neues, eiskalt gefrostetes austauschen - ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich hier um eine sich sehr ernstnehmende Cocktailbar handelt.

Negroni Pepato

| Timut Pepper and Roses infused Martini Bitter
| CiPiaCe Vermouth Blend
| Bombay Sapphire

Schlicht ein exzellent abgestimmter Negroni Riff, erinnerte mich ein wenig an den indisch-inspirierten Twist in der No Idea in Zürich. Sowohl Rose als auch diverse Pfeffersorten hatte ich schon öfter in Negronis, in der genauen Kombination aber nicht und es geht sehr gut auf. Beide Zutaten kommen exakt abgestimmt (wie auch beim ersten Drink) durch, die Rose fein floral, nie zu intensiv und damit im schlimmsten Fall leicht seifig werdend. Der Pfeffer ist knackig und leicht prickelnd, aber nie zu aggressiv oder mit negativem Nachgeschmack (was bei manchen Pfeffersorten mal schnell passiert). Insgesamt ein Riff, der sehr gut weiß, wie weit er gehen darf, um auch noch eine schöne Essensbegleitung zu bleiben. Nicht zu abgedreht, aber auch alles andere als klassisch.

Das CiPiaCe hat mir wundervoll vorgeführt, dass man sich manchmal auch nach 8–10 Jahren an Bar-Recherche im Vorfeld von Reisen immer noch von eigenen Erfahrungen und daraus entstehenden Vorurteilen mal täuschen kann, was den Look oder das generelle Konzept einer Location betrifft. Die Bar + Restaurant Dualität funktioniert extrem gut und zeigt, dass man abseits von spritzigeren Drinks auch intensivere und spirit-focused Cocktails im Menü einbauen kann. Zugleich bietet man fantastisches – in diesem Fall italienisches – Essen und nicht nur den kleinen Snack hier und da. Das Feeling der Location ist vielleicht nicht wie in einer klassischen Cocktailbar, aber das ist auch mal eine angenehme Abwechslung und passt zu Konzept und dem authentischen, italienischen Hintergrund. Insbesondere auch das Team wird mir in Erinnerung bleiben. Eine dicke Empfehlung, speziell für den Start in den Abend.

/rds


Auszüge aus dem restlichen Menü (anklicken für Originalgröße):

Next
Next

#62 | Röda Huset, Stockholm, Sweden