Spirit Of The North - Selma Slabiak


Spirit of the North - Cocktails und Drinks aus Skandinavien

Selma Slabiak / 160 Pages / October 2018
(Review version: German)


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Selma Slabiak's Buch ist voller Persönlichkeit und offensichtlich mit viel Liebe geschrieben. Gleichzeitig ist es nicht die einfachste Empfehlung für den durchschnittlichen Cocktailinteressierten. Warum? Beginnen wir von vorn:

Die Liebe zum Buch erkennt man bereits beim ersten Begutachten, teNeues hat hier mit der Autorin ein attraktiv und hochwertig designtes und solide verarbeitetes Werk vorgelegt, schöne Details auf dem Cover, schön mattes Papier mit Griff innen, das sehr übersichtliche und direkt verständliche Layout steht dem in nichts nach.

Dass dies ein etwas persönlicheres Rezeptbuch ist, erkennt man bereits an der ihrer Großmutter gedenkenden Widmung auf der ersten Seite. Im Vorwort beschreibt Slabiak auf intime Weise ihre Inspiration durch jene wichtige Frau in ihrem Leben, wie sie in der Küche um diese herum aufwuchs und wie ihr von den nordischen Legenden ihrer Heimat erzählt wurde. Wie man in dem Buch auch gut sieht, erklärt sie, dass sie "immer gern Arbeiten mit Erzählen verbunden" habe, auch als sie aus Skandinavien 2007 als Barkeeperin nach NYC ging.

So wird auch jeder Drink im Buch einer Geschichte oder einer Idee aus einer Legende gewidmet sein.

Bis dahin folgen noch knapp und ordentlich je eine Seite zu:

  • Hygge (das bekannte nordische Gemütlichkeitsgefühl und wie man es mit diesem Buch verbindet, schaffen soll und genießt)

  • Basics (die 4-5 wichtigsten Gadgets, sowie die wichtigsten 4-5 Tipps zur Zubereitung, absolut minimalistisch und für Anfänger ein wenig dürftig um ehrlich zu sein)

  • Einmachen (nicht wirklich eine Anleitung, eher eine Beschreibung, wie im Norden schon immer viel eingemacht/-gelegt wurde und dass man es mit vielem machen kann)

  • Sammeln (auch hier, eher Motivations- und Inspirationstext, als irgendeine Anleitung, mit dem wichtigen Hinweis stehts ein bebildertes Pflanzenbestimmungsbuch mitzuführen)

Daran anschließend noch eine Doppelseite zu lediglich 5 Sirups/Lösungen für das Buch und schon kommen wir zu den Rezepten.

Die Themenunterteilung nach Jahreszeiten

Die Rezeptsammlung ist wie oben zu sehen in die 4 Jahreszeiten unterteilt, nicht nur nach Geschmack, sondern durchaus stimmig und sinnig nach saisonalen Zutaten in den Drinks. Es ist bei weitem nicht das einzige oder erste Buch (geschweige Menü) mit dieser Idee, es wirkt hier jedoch sehr authentisch.

Was sehr attraktiv und fast verschwenderisch ist und ich soweit ich mich erinnere noch nie gesehen habe, wirklich jedem Rezept wird gleich viel Raum geboten und dies sind satte 4 Seiten.

Diese bestehen immer aus zunächst einer Doppelseite nur mit dem Begleittext sozusagen, der Geschichte hinter dem Drink, meißt eine nordische Legende, Inspiration oder eben persönliche Erinnerung an Momente in ihrer Heimat, die mit einer Zutat des Drinks zu tun haben. Dazu ein "Stimmungsfoto" und dann auf der folgenden Doppelseite das Rezept selbst inkl. Drinkfoto, welche übrigens sehr ästhetisch und teils auch sehr künstlerisch aufwendig inszeniert werden, dies weiß sehr zu gefallen.

Ein Beispiel der Doppelseiten für die Einleitung des Drinks

Die Doppelseite zum Rezept selbst, der Freydis wurde hier vorgestellt

Wie oft mit regional bzw. national inspirierten Cocktailbüchern bzw. Rezeptsammlungen wie hier, besteht das Problem, dass die Techniken an sich oder gar genutzte Ausrüstung an sich eher im niedrigen Schwierigkeitsbereich liegen, jedoch durchaus einige Zutaten nicht in Deutschland (oder vielen anderen Ländern) schnell oder überhaupt lokal verfügbar sein werden.

Insgesamt gibt es 27 vom Buch selbst als "Cocktail" bezeichnete Rezepte, dies klingt wenig, wirkt durch die platzreiche Aufmachung auch als wäre es mehr. Warum ich dies auch so spezifisch formuliere? Zwischen den Cocktails mit ihren "doppelten Doppelseiten" gibt es einige wenige (3-4) Essensrezepte aus der nordischen Küche, speziell mit dafür hergestellten Sirups/Shrubs oder ähnlichem, die auch wiederum dazwischen zusätzlich mit Rezept erläutert werden und dann auch in einem Drink vorkommen oder natürlich einfach für nicht alkoholische Drinks aufgegossen werden können. Außerdem gibt es 3-4 nicht-alkoholische Getränke Richtung Punch, die aber nicht als Cocktail bezeichnet werden, einen "Weihnachtsaquavit", der quasi eine umfangreiche Aquavit-Infusion ist, aber nicht speziell in einem Drink vorkommt, aber quasi als bottled Cocktail verstanden werden kann, usw., für etwas Abwechslung ist also gesorgt.

Ich habe mir mal die Mühe gemacht die auch als solche bezeichneten Cocktail-Rezepte in die zwei wichtigen Kategorien (ohne deutlichen Mehraufwand/mit) einzuteilen:

  • 13-14 Rezepte (je nach Zählweise plus-minus 1 oder 2), also ziemlich genau die Hälfte, können mit einem Gang zu einem gut sortierten Supermarkt zubereitet werden. Wir sprechen hier von Rhabarber, Preiselbeeren, Kamillenblüten (einfach Tee besorgen), mit eingerechnet Drinks die schon etwas speziellere, aber halbwegs übliche Liköre/Spirituosen wie Byrrh oder Strega nutzen und ignorierend spezielle Markennennnungen (einfach anderen Aquavit mit ähnlichen Noten nutzen oder anderen Highland Scotch statt den speziellen Highland Park), auch mit hineinrechnend Rezepte, wo man trotzdem vllt. 4-5 Dinge nur für einen Drink benötigt, die jedoch einfach im Supermarkt zu bekommen sind (Anis, Kardamom, etc.)

  • der Rest teilt sich in diverses auf, wir haben Wildblüten-Negronis mit Kamille, Chrysanthemen und Pelargonien, Meyer-Zitronen, die schlicht sehr selten in Deutschland zu bekommen sind, Fichtennadeln (für einen Sirup für den Drink), speziellere Liköre/Spirituosen wie Björk, St. George Spice Pear Liqueur (oder einen ähnlichen Ersatz), Bäska Snaps, etc.

    Zu betonen ist, spätestens online wird man an zumindest das meißte (zu einem Preis) herankommen und die Techniken an sich bleiben fast ausschließlich sehr einfach, Mazeration, Aufkochen, sie können nur eben mal viele Zutaten beinhalten.

Nach den Rezepten folgt noch eine Mini-Seite Biographie von Fr. Slabiak, eine Danksagung und dann weitere Buchempfehlungen, die ich amüsant random fand. Zwar sind auch 2-3 Bücher speziell zum Sammeln von Kräutern usw. für Kochen/Drinks dabei, aber z.B. auch Liquid Intelligence von Mr. Arnold oder ein sehr allgemeines Barbuch, vllt. erkennt man hierin, dass auch Fr. Slabiak selbst weiß, was nun in meinem Fazit folgt.


Fazit:

Künstlerisch sehr ansprechend und charakteristisch umgesetzt, im Layout stringend, fast schon verschwenderisch, ist Salbiak's Buch trotzdem ein nicht ganz so leichter Fall für eine Empfehlung. Ich wundere mich ein wenig darüber, dass speziell in einem Buch mit Hingabe über die eigene Kultur, nicht etwas mehr Aufwand in Dinge wie z.B. interessante, kurzweilige Bildung zum Thema Aquavit oder skandinavische Trinkkultur geflossen ist oder gar z.B. zumindest die wichtigsten Informationen für Interessierte am Sammeln von Zutaten in der Natur mitzugeben, sowie viele weitere Anhaltspunkte von Themen, die gegeben wären.

So beschleicht mich nach einigem Sinnieren stark das Gefühl (auch an den Bücherempfehlungen von ihr selbst zu erkennen), dass hier klar geplant war, ein günstiges, nicht zu aufwändiges, aber eben süß gemachtes Buch zu schaffen, das ein typisches kleines Mitbring-Geschenk vom Bücherladen sein soll. Hier ist es in dem Sinne auch ein Erfolg und eine Empfehlung. Für Leute, die wissen ein Bekannter interessiert sich entweder für Drinks oder eben skandinavische Küche. Eben kein Versuch, ein halbwegs beeindruckendes Grundlagenwerk in auch nur irgendeiner Weise zu skandinavischer (Trink)Kultur, Botanical Cocktails, o.ä. an sich zu schaffen. Nur kleine, zugegebenermaßen recht inspirierende und ästhetisch nette Ausblicke - ohne weiteren Informationsgehalt - in diese Bereiche. Zu keiner Zeit wird man das wenige Geld bereuen, dass in dieses doch mit merklich Liebe gemachte Buch geflossen ist, alleine die Fotos und netten Texte zu den Drinks waren mir persönlich dies wert. Man sollte jedoch wissen, worauf man sich einlässt. Für Cocktail-Beginner ist es nichts, da eben keine Bar Basics oder andere wichtige Dinge weiter erklärt werden.

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