Eat Your Drink - Matthew Biancaniello


Eat Your Drink:

Culinary Cocktails

Matthew Biancaniello / 176 Pages / March 2016


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In der Welt der Bars geben sich manche Bartender ja spezielle Titel, oft liest man von Mixologen, Alchemisten, usw., Matthew Biancaniello wiederum nennt sich Cocktail Chef. Diese an die Restaurantküche angelehnte Bezeichnung spiegelt sich logischerweise also auch in seinem Buch wieder. Benannt ist es wohl nach einer bekannten Tasting-Erlebnisreihe, "Eat Your Drink", die er veranstaltete.

Auch im anfänglichen Inhaltsverzeichnis wird diese besondere Beziehung zwischen Küchenkulinarik und Cocktails deutlich, denn hier findet man die Rezepte unterteilt in "Amuse-Bouche" und "First Course", "Second Course", "Main Course", "Dessert" und "After Dinner".

Doch vorher kommt noch das Vorwort, passenderweise auch von dem Chef einer bekannten Experimental Dining Experience in Washington, sowie die Einleitung von Biancaniello selbst. Ähnlich vielen dieser Küchen-Cocktailbücher, erzählt er als Halb-Grieche, Halb-Italiener, dass seine Großeltern immer frisches Gemüse und Obst im Garten anbauten, Fahrten am Wochenende zu Bauernhöfen um einzukaufen, sowie von den anderthalb Jahren, die es brauchte um jenes Farm-to-Glass Konzept im Hollywood Roosevelt Hotel in L.A. aufzubauen.

Dies war übrigens auch seine eine große Barstation über mehrere Jahre, in den über 10 Jahren seitdem arbeitet er unabhängig als Berater für Restaurants, Bars, Hotels, ist viel in den Medien aktiv, usw.

Eines der Rezepte im Second Course (Mezcal, Aquavit, Limette, Agave, Sellerie, Salz, Blüten)

Dann geht es mit den Rezepten los und vielleicht habt ihr euch - wie ich - oben gefragt, was "Amuse-Bouche" überhaupt ist. Es ist die rein aus "gewöhnlicher" Barperspektive vielleicht interessanteste Kategorie der Rezepte. Der Begriff meint wortwörtlich "Spaß/Lachen in deinem Mund" und beschreibt kleine, meißt spaßige Appetizer mit einem Twist oder etwas überraschendem, die man auf Hauskosten im Restaurant zu Beginn oder zwischendurch serviert bekommt.

Dieses Ritual hat er über die Jahre in der Hotelbar, aber auch seinem später gegründeten Restaurant (leider in einem der großen Wildfeuer 2018 in L.A. abgebrannt) für sich entdeckt und beibehalten.

Hier finden sich 8 spannende Rezepte für eben solche Appetizer, oft mehr Essen als Getränk, bzw. quasi immer eine Kombination aus beidem. Ausgehölte Früchte bzw. Gemüse, eingelegte Finger-Lime Kugeln, die dann im Mund wie ein Caipirinha schmecken, Meyer-Zitronenschaum auf Rhababerinfusioniertem Aperitivo (da einzige, reine Getränk quasi), usw.

Jeder dieser Courses wird nett kurz mit ein paar Sätzen eingeleitet auf einer Doppelseite, erklärend wofür dieser und jener Course eigentlich im Restaurant gedacht ist und wie sich dies in den Drinks wiederspiegelt. 56 Rezepte sind es insgesamt (inkl. den eher Food-Rezepten), jedes kriegt im Normalfall eine Doppelseite mit Foto, oft wird dies verlängert für die Infusionen und Rezepte für die Einzelbestandteile.

Selbst für das Buch eines der besondereren Rezepte (Desserts), selbstgemachtes Vanille-Eis mit Bourbon und Pilzen, sowie Nusslikör, Walnüssen und Rosmarin…

Die Drinks in den folgenden Courses, sind dann auch wieder deutlicher eben das, Drinks, natürlich mit besonderem Garnish und solchem, das als halbes Food Pairing funktioniert (Cherrytomaten, essbare Blüten, usw.). Bis zu den Desserts, die wieder wie der Beginn teils sehr Richtung Essen tendieren oder ein gleichwertiger Mix sind.

Insgesamt sind die Rezepte für die Heimbar nicht so einfach einzuschätzen, öfter ist natürlich mindestens eine frische Zutat dabei (abseits von Zitrus natürlich), für die man mal auf den Markt bzw. hierzulande teils eher in einen guten Asia-Markt gehen müsste. Oft werden vorher Mixes infusioniert, z.B. für einen special Pimm's Cup quasi der Pimm's aufwendig selbst erst hergestellt mit Infusion. Wir finden Dill, Kumquats, besondere Oliven, besondere Tomaten, Shiso-Blätter, 25 Jahre (!) alter Balsamico und vieles mehr…

Geniales Dekadenz-Highlight: Ein weißer Trüffel Eggnog, serviert in einem leeren Emu-Ei. Alles klar?

Fast schon beeindruckend: trotz all der Küchen-Inspirationen wird kein Hightech benötigt, nicht einmal Sous Vide konnte ich entdecken, theoretisch ist alles in einer normalen Küche mit vielen leeren Behältern machbar.

Nach dem letzten Kapitel, "After Dinner", kommt noch eine Doppelseite mit Conversion Chart der Temperaturen und Messeinheiten (Löffel zu Ounces zu ml). Danach wiederum ein paar Seiten mit von ihm genutzten Quellen für seine Zutaten, also Großmärkte oder Farmen und Marken in den USA, die einem hier in Deutschland weniger helfen werden. Final noch der Index und das wäre es. Tatsächlich vllt. das erste Barbuch in meiner Sammlung, in dem mit keinem Wort Gläser oder Utensilien auch nur kurz erwähnt werden für sich.


Fazit:

"Eat Your Drink" ist definitiv kein schnell & einfach nutzbares Buch für die meisten Home-Bartender, das sollte man direkt festhalten. Es kann aber eine tolle Inspiration für jene sein, insbesondere wenn sie sich auch gerne in der Küche betätigen. Anders herum kann es so also auch ein tolles Geschenk sein für passionierte Hobbyköche, die vielleicht noch wenig mit Spirituosen gearbeitet haben. Wobei man diesen dann noch ein Bar-Basics Buch mitgeben müsste, da hier absolut 0, wirklich 0 zu irgendwelchen Basics von Utensilien bis Eis vorkommt.

Handwerklich ist es gut gemacht, Design und Fotos solide, der Preis auch nicht zu hoch und unter den genannten Kriterien eine Empfehlung für die korrekte Zielgruppe.

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