#58 | Bar 1802, Hotel Monte Cristo, Paris, France
Last Visit: Fall 2024
Hotelbars in Paris haben einen großen Part an extravaganten und opulenten Beispielen, von denen wir eine auch während unserer letzten Reise besucht haben. Doch die Bar 1802 geht einen spezielleren Weg, eine Reise, die zu (viel) Rum und multisensorischen Cocktails (oder dem Versuch davon) führt.
Das Hotel Monte Cristo selbst lädt mit ruhigerem Luxus auf der anderen Seite der Seine ein, zwischen Wohnhäusern, mit viel Grün an der Hotelfassade. Die Bar auf Straßenebene erinnert an einen Zigarrensalon und an eine klassische Lobbybar früherer Zeiten. Man spürt die koloniale Ästhetik, ohne jemals mit Klischees zu übertreiben.




Was uns zunächst neugierig machte, war die Tatsache, dass es sich bei der Bar 1802 um eine Rum-Bar handelt. Golden Promise hat zwar auch ausgezeichneten Rum (zusätzlich zur riesigen Whisky-Auswahl), aber hier konzentriert man sich ausschließlich darauf und präsentiert Raritäten, die man in Frankreich wahrscheinlich nirgendwo sonst findet.
Umso interessanter ist es, dass das Menü für die Signatures eigentlich viel komplexer und konzeptioneller ist und sich nicht nur auf Rum stützt. Bei unserem Besuch ging es vor allem um Materialien und Texturen wie Porzellan oder Ton. Auf den ersten Blick erinnerte mich das auf angenehme Weise an Arnds Themen aus Berlins Curtain Club und Fragrances.
Service und Aufmerksamkeit für alle Gäste war persönlich, und ja, das ist einfacher an einem Nachmittag, wenn die Hotelbar nur ein paar Besucher hat, aber es zeigt trotzdem eine Leidenschaft für die vorgestellte Spirituose, ihre Geschichte und zugehörigen Drinks. Das führte dazu, dass wir zusätzlich zu unseren Drinks einen St. Lucia Single Cask Rum (siehe Bild unten) wählten, obwohl wir auch schon einen im Golden Promise hatten.
Allein darüber könnten wir einen ganzen Tasting-Artikel schreiben, denn St. Lucia Rums gehören zu unseren persönlichen Alltime Favourites. Dieser hier war ziemlich dunkel und trocken, mit viel intensivem Fasseinfluss.
Porcelain
| Flor de Cana 12
| Kokuto Shochu
| Sake Junmai
| Hochija Tea
| Homemade Rice Milk
| White Peach
Ultraweiches Trinkerlebnis, das die Textur von rauem Porzellan mit getreideartigem, milchigen Geschmack nachahmt. Hier passt die Tasse perfekt dazu. Dies ist ein Cocktail, den ich als recht simpel beschreiben würde, einer um Menschen für konzeptionelle Mixologie zu interessieren, ohne die Sinne mit Komplexität (oder Alkoholtoleranz) zu überwältigen. Von Rum oder auch mancher japanischen Zutat ist kaum eine Spur zu finden, sodass sich die Frage stellt, ob dies beabsichtigt war oder nur das Ergebnis eines stark mit Reismilch geklärten Drinks.
Eminente Millesime 2012 Old Fashioned
Mit dem Head of Bar und einer so guten Auswahl an Rumsorten vor Ort war ein Old Fashioned (oder Daiquiri oder Rum Manhattan oder Rum Negroni, natürlich je nach Abfüllung) der naheliegende nächste Schritt. Der Eminente in limitierter Auflage hatte einen sehr fairen Preis und wurde mit relativ wenig Zucker serviert, was zeigt, dass man den Leuten die eigentlichen Qualitäten des Rums näher bringen möchte. Ein wenig kurz und trocken im Abgang und ohne viel Komplexität (was ich dem Bottling und nicht dem Barkeeper oder der Technik zuschreibe), war dies keineswegs ein schlechter OF, sondern ließ uns nur mit dem Wunsch nach dem nächsten Level zurück.
Das Materials Menü ist schön präsentiert, aber es fehlt ihm an Tiefe & Komplexität im Geschmack oder in manchen Drinks an einer Verbindung zum genutzten Rum (viele Rum-Varianten aus Asien hätten zum Beispiel die milchige Textur für das Porzellan ergänzen können). Die Rum-Auswahl im Hintergrund wird nicht unbedingt beworben und verlässt sich auf das Personal, das sie präsentiert. Auf der Website wird angegeben, dass es über 1.000 Flaschen gibt, die offenbar auch über einen Online-Shop erhältlich sind, obwohl dieser Link zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels nicht funktionierte. Natürlich kann man argumentieren, dass diese Spirituosen ohnehin pur serviert werden sollten, aber unsere europäischen Bar-Lieblinge schaffen es zuverlässig, solche Spirituosen durch Drinks, Alterung oder spezielle Abfüllungen auch in Drinks aufzuwerten.
Wir freuen uns nichtsdestotrotz auf die nächsten Menüs und vielleicht wird die Vision in Zukunft so destilliert, dass sich die Bar 1802 als ein Aushängeschild in Paris etabliert. Nachfolgend die Eindrücke von Robin in seinen eigenen Worten, sowie seine Cocktail-Beschreibungen. Cheers
/jf
Wicker
| Brugal 1888
| 3S Aokage 41
| Belle de Brillet
| Benedictine
| DDH IPA
| Buckwheat
Meiner Meinung nach der beste Drink, den wir im 1802 hatten. Garniert mit einem kleinen Stück Crêpe, das mit Buchweizenhonig zubereitet und beträufelt wurde. Der Honig ist auch im Getränk als Sirup enthalten und wird mit dem IPA anstelle von Wasser verdünnt. Das bedeutet, dass der Drink nicht wirklich fizzy aufgrund des Biers ist, sondern irgendwo zwischen trocken und bittersüß liegt, aber auch dieses cremige, honigartige Mundgefühl hat. Der letzte Punkt, die cremige Süße, ist auch der Grund, warum ich nicht finde, dass es perfekt zum Namen passt, aber ich kann die Idee dahinter mit der Trockenheit trotzdem durchaus nachvollziehen. Nussig, holzig, geröstetes Malz und ein bisschen Honig. Ein solider Cocktail, obwohl ich immer noch denke, dass die coole Kombination von Zutaten ein bisschen mehr Potenzial hätte.
Clay
| Paranubes
| Lacto-Beetroot
| Martini Rubino
| Fino
| Laphroaig 10
| Shiitake
| Macadamia
Der mit Abstand enttäuschendste, fast wässrig beim ersten Schluck, sehr wenig Aroma hier zu finden, was fast ein Wunder ist, wenn man diese Zutaten liest?! Der Wermut war praktisch nicht vorhanden, der Abgang war superbitter, was mich verwirrte, denn es war weder eine pilzige/erdige Bitterkeit vom Shiitake oder der Roten Bete, noch die Kräuter vom Wermut, einfach unangenehm und undefinierbar. Erst nach mehr als 10 Minuten und nachdem er fast Zimmertemperatur erreicht hatte, konnte man einen Hauch von Paranubes und vielleicht ein bisschen Sherry zwischen dem wässrigen, schlammigen Körper erkennen. Ich meine, sicher, man könnte argumentieren, dass das Bearbeiten von echtem Lehm mit Wasser an schlammige, bittere, wässrige Noten erinnert, aber nein, einfach nein. Das war fast ein kompletter Fehlschlag.
Ich wollte nur ein paar persönliche Gedanken hinzufügen, da mich dieser Besuch ein wenig genervt und enttäuscht hat. Was heutzutage selbst bei weitaus schlechteren Bars nur noch selten vorkommt, dank der Erfahrung, die ich bei meiner Bar-Recherche im Vorfeld inzwischen habe und dem Erwartungsmanagement und so weiter. Apropos "Erwartungen": Ich habe nicht wirklich viel von der Bar "erwartet", aber angesichts der superprofessionellen Karte, der Social-Media-Inhalte und natürlich der Rumauswahl und -ausrichtung habe ich wohl im Hinterkopf gehofft, dass es ein durchaus anderer, aber dennoch interessanter "Ersatz" für mein geliebtes, geschlossenes Mabel sein könnte. Eine wundervolle Rum-Bar im Herzen von Paris, auf die ich auf jeden Fall für einen "R.I.P."-Bar-Artikel in der Zukunft zurückkommen werde. Nicht nur Mabel, auch die Ory Bar in München, Deutschland, mit ihrer (zumindest in Deutschland) berühmten ersten "Materialien"-Karte, ähnlich der von 1802, gab mir einen Referenzpunkt.
Letztendlich hat 1802 die Themen der Drinks nicht so perfekt getroffen wie die Ory Bar, war aber in dieser Hinsicht immer noch in Ordnung, während aber die eigentliche Cocktail-Intensität, Qualität und Komplexität wirklich 1-2 Ligen unter etwas wie Mabel (oder dem damaligen Ory) war. Vor allem der Clay ärgert mich immer noch. Wenn ich mir die Zutatenliste noch einmal durchlese, würde ich behaupten, dass man sich mindestens 3 Monate lang nicht als Mixologe bezeichnen darf, nachdem man so wenig aus 7 erstaunlichen Zutaten gemacht hat.
Zum Schluss noch etwas Positives: Ich stehe zu meinen Worten, aber es ist eher ein persönlicher Kommentar. Ich stimme John zu 100 % zu, der Service war solide, das Potenzial des Standorts, der Auswahl an Spirituosen, aber auch der Ideen und des Konzepts ist enorm, aber es gibt noch eine Menge zu tun. Wenn man ein Rum-Nerd ist, sollte man es auf jeden Fall eh schon besuchen (und das Signature Menü einfach ignorieren). Cheers!
/rds