#57 | Liquid Garden, Hamburg, Germany
Last Visit: Summer 2024
Beim Hinsetzen und den Laptop aufklappen stellte sich mir die Frage: Welche Bar aus Hamburg wollen wir denn als Nächstes besprechen? Denn eigentlich wechseln wir gerne absolute Highlights mit einfach nur „netten“ Bars ab, geschweige den seltenen Negativausfällen. Spoiler: Hier machen wir eine Ausnahme. Dafür, dass man international jetzt nicht so viel von Hamburg mitbekommt und Deutschland für die weltweite Community weiterhin aus Berlin + X bestehen zu scheint, waren wir von so einigen Bars extrem angetan. Ich habe mich für einen unserer Favoriten entschieden, neben Bars wie Ba Nomu oder auch The Local, war vor allem der Liquid Garden nochmal ein krönender Abschluss kurz vor der Fahrt zurück. Vielleicht erkennt man an der Aufzählung aber auch bereits, warum es mit dem Ruhm Hamburgs vllt. einfach etwas mehr Zeit braucht: Alle genannten haben die letzten 3 Jahre eröffnet.
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Gut genug fanden wir jedenfalls unseren Besuch, dass wir am Ende auf 5 Drinks kamen, obwohl wir ständig auf die Uhr schauen mussten, um noch unsere Bahn zu bekommen. Immer wenn aus „Dann nehmen wir da noch am Ende 2 Drinks“ mehr als das Doppelte wird, spricht das schon ein wenig für sich.
Das Design des Liquid Garden hat definitiv etwas einzigartiges in der Barwelt, eher hell gehalten, dabei recht durchdesignt, John fast schon zu durchdesignt. Ich finde es doch ziemlich gelungen, irgendwo zwischen einem fancy Fashion Concept-Store, kleinem, modernem Designhotel und instagrammable Craft Café. Besonders das Festlegen auf einzelne, sehr prägnante, aber nicht zu viele Designelemente, wie die grüne Kachelwand rechts der Bar und vor allem die genialen Wandlampen, die auch in einer brutalistischen Kirche oder wahlweise in Dark Souls (ein Videospiel, liebe Nicht-Gamer) vorkommen könnten.
Was mir direkt ins Auge fiel, war die positive Energie, mit der hier alles vonstattenging. Wir waren erst 30–40 Minuten nach Öffnung da, draußen saßen schon auf den 6–8 kleinen Plätzchen ein paar Leute. Drinnen war noch ein wenig an Vorbereitung in der Küche zu tun, aber es war rein positiver, geschäftiger Stress, wie man sofort im Vergleich zu manch anderem Beispiel (hust Clumsies hust) merkte.
Auch wenn theoretisch immer etwas anstand, einer nahm sich bei jeder Frage sofort Zeit komplett in Ruhe und mit Begeisterung von der Technik oder Herstellung oder Idee hinter Drink XY zu erzählen. Gerade im Service und der Stimmung sind das mit die wichtigsten Details, die einem Gast unterbewusst die Lust auf ein Wiederkommen machen.
Auf ihrer Website vermitteln sie bereits klar die Idee hinter ihrem Konzept: „We mix the gardens of the world“. Schönes Thema, soweit enttäuscht war ich ein wenig als der QR-Code dran war. Menüs am Handy, mein ewiger Erzfeind. Positiv überrascht war ich dann aber doch doppelt, denn einerseits ist das Menü online trotzdem sehr schön designt. Nichts schlimmer, als die QR-Menüs, die am Ende wirklich mit Standardvorlagen designt werden in eigentlich hochwertigen Bars. Der zweite Pluspunkt war vor allem: Es ist quasi ein Hybrid. Denn man bekommt trotzdem noch eine kleine Weltkarte serviert, einfach um ästhetisch ein wenig das Thema zu vermitteln und die jeweiligen „Gärten“ klarer zu verorten. Ich muss zugeben, wenn QR-Code Menü, dann so.
Das Menü umfasst dabei 7–8 Drinks aus den Gärten, immer pro Garten einer und je nachdem gibt es mal noch einen Sonderdrink aus einem jener Gärten dazu. Da ist aber bei weitem nicht Schluss, so gibt es noch den „Bartender's Backyard“, wo sie sich mit nochmal 4 Drinks abseits der Themen austoben oder mal Twisted Classics haben, sowie weitere 4 Highballs und noch final 4 non-alcoholic Cocktails. Letztere Kategorien sind dabei nicht so aufwendig konzeptionell wie die Garten-Drinks, brauchen sich aber auch nicht zu verstecken. Die Garten-Cocktails werden dafür auch alle 6 Monate ausgewechselt, das Thema bleibt. Dazu gibt es eine Handvoll kleine Snacks, wie eine kalte Aperitif-Platte, sowie ein tolles Brot vom lokalen Bäcker, mit immer mal wechselnder, selbstgemachter Butter.
Coffána
| Flor de Cana 12yo
| Nikka Coffey Malt
| Banane
| Kaffee Kombucha
Die Idee hinter dem Coffána war, einen möglichst nachhaltigen Drink zu gestalten. Der Kaffee kommt in Form eines Kombuchas, hergestellt mit Kaffeesatzresten. Die Banane kommt wiederum über ein Bananen-Oleo Saccharum, ebenfalls aus Resteverwertung, mit in den Drink hinein. Zusammen ergibt das mit den tollen Spirits einen super smoothen, fast schon zen-artigen Kaffeedrink, in dem der Kaffee sich die Bühne sehr gut abgestimmt mit der Banane teilt. Oft hat man in diesen Kombis eine der Noten, die die andere etwas zu stark dominiert, nicht hier. Die Süße des Coffey Malt spielt toll mit dem eher trockenen Rum, dazu eine fantastische, zeitlose, moderne Präsentation mit Bananenblatt und einem der schicksten, clear und perfekt geschnittensten Ice Cubes, die ich bisher gesehen habe.
/rds
Bad Bunny
| Patrón Tequila
| Karotte
| Habanero
| Mais
| Miso
| Limette
Ein - unschwer zu erkennen - lateinamerikanisch inspirierter Cocktail, der eine schön-scharfe Würze mitbringt, die mich natürlich direkt glücklich macht. Ebenso auf den Punkt war die Textur. Wie beim Eis oben merkt man, dass hier handwerklich alles sitzt und mitgeplant wurde. Persönlich hätte ich vielleicht gerne ein bisschen mehr Charakter vom Alkohol, ein Mezcal oder nochmal anderer Tequila vielleicht als "Upgrade" dann in einer anderen Preisklasse? So wie im Menü funktioniert der Drink aber natürlich auch als "lower"-ABV Basis und mit dem genutzten Tequila lassen sich verlässlich auch die zukünftigen „South America Garden“ Drinks basteln. Karotte hat sich sowieso in den letzten Jahren zu einer meiner Lieblingszutaten entwickelt und auch hier gibt sie das passende Maß an massentauglicher Süße plus kulinarischer Erdigkeit.
/jf
Anatolian Apple
| Tanqueray 10
| Noilly Prat Dry
| Apfel Verjus
| Rosenwasser
| Chrysanthemen
Hier haben wir erneut ein Oleo Saccharum, diesmal mit Granny Smith Äpfeln, dazu ein Chrysamthemen-Apfeltee als Cordial verbaut. Heraus kommt eine Art Gimlet, insbesondere im wundervoll seidig-fruchtigen Mundgefühl. Um ehrlich zu sein, brauchte der 2–3 Sips, um mich dann doch wirklich zu begeistern. Rosenwasser ist halt immer eine spezielle Zutat, die erstmal am Anfang oft ein wenig seifige Assoziationen weckt und auch den Rest des Drinks süßer wirken lässt, als er eigentlich ist. Sobald aber die knackige Fruchtigkeit des Apfels und die zarten Teenoten dazukamen, konnte ich nicht mehr ablassen. Schöne Kombination und sehr unique, die Rose und der Tee passen wirklich schön zum thematischen Namen.
/rds
Green Supreme
| Nikka Coffey Malt Vodka
| Melone
| Mandel
| Matcha Whey
| Limette
Ein weiterer Drink, den man als Crowd Pleaser bezeichnen kann, und das ist als Kompliment gemeint, denn auch hier stimmt die Präsentation und das Trinkgefühl auf den Punkt. Das Team beschreibt den Green Supreme, der auf der „Special Garden“ Menüseite als temporärer Sonderdrink war, als eine Art „Fritz Limo Melone“, nur statt fizzyness eben mehr Richtung Sour. Das bei dem Drink der base spirit wieder nicht im Mittelpunkt steht, stört dann auch weniger. Insbesondere da es sich hier um Vodka handelt, der eher die Leinwand für die kulinarischen Eindrücke darstellt. Man denkt an japanische Süßigkeiten, Mochi, mit traumhaft-frischem Zitrus-Abgang.
/jf
Der Liquid Garden ist für mich im positivsten Sinne ein Prototyp moderner, hochwertiger Bars. Das Design ist sehr durchdacht und macht sich natürlich klasse auf Fotos, die Barkarte ist mit der Mischung aus QR-Code, aber beigelegter Weltkarte ein moderner Kompromiss. Die Drinks sind zeitlos und progressiv in Szene gesetzt, ihr Social Media sowieso. Die Stimmung ist fantastisch, positiv und dabei aber doch authentisch und nicht gekünstelt. So bekommt man wirklich ein Erlebnis, wo es als Gast an quasi nichts mangelt. Nicht ohne Grund hat sie es bei mir persönlich aktuell in die Top 10 Germany geschafft.
Dürfte ich mir was aussuchen, aka wäre „Money no issue“, wäre es natürlich doch eine unnötig teuer und aufwendig hergestellte greifbare, mehrseitige Karte mit mehr „Wow-Effekt“ (bin Menüfetischist, no Kink-Shaming bitte). Sowie passend zu den sehr internationalen bzw. transkontinentalen und modernen Drinks 2–3 passende, etwas spannendere Snacks. Sandwich/Burger mit Jackfruit zu Südostasien, mal arabisches zu dem jeweils passenden Garten. Natürlich nicht zu allen an der Zahl, aber mal hier und da. Man darf ja träumen, so als Gast ohne jede Ahnung vom konkreten Kosten-/Nutzenfaktor.
/rds
Teile des damaligen Menüs (anklicken für Originalgröße):
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