#56 | Bar am Wasser, Zurich, Switzerland


Last Visit: Winter 2023/24

Das schöne Zürich hat wahrlich nicht verdient, bisher mit nur mageren zwei Bar Reviews abgespeist zu werden und daher werden wir uns heute einem weiteren, absoluten Highlight meines Trips vor etwas über einem Jahr widmen: die Bar am Wasser.

Diese hat einiges zu bieten, was mir schon nur durch meinen Besuch klar wurde, aber noch mehr mit etwas Recherche beim Schreiben des Artikels. Eigentlich fokussieren wir uns nur auf das eigentliche Erlebnis bei Besuch, aber da das "Drumherum" so genau zu dem passt, was ich bezüglich meiner eigenen Erfahrungen und meiner Einschätzung zu sagen habe, will ich es doch kurz teilen.

Copyright: Bar am Wasser

So liest man von Pop-ups bei Gault Millau-Events, in japanischen Omakase-Restaurants mit 15 GM-Punkten, im Mandarin Oriental in Luzern gibt es ein 5-Drink-Menü bei Guest Shifts. Zum Zeitpunkt des Schreibens wiederum findet bald ein Event mit Drink-Begleitung im Elmira in Zürich (1 Michelin-Stern, 1 grüner Michelin-Stern) statt. Die Bar hat ein Separee im 2. Stock für Gruppenreservierungen mit bis zu 20 Leuten, vor allem aber seit einer Weile auch direkt im 5. Stock, unter dem Dach zusammen mit Suntory ein Privé eingerichtet. Quasi eine eigene Cocktail-Lounge/-Wohnzimmer, wo je nach Package (bis zu ca. 40 Leute als Gruppenbuchung) ein Privatkoch gleich mitkommt.

Worauf will ich damit hinaus? Darauf, dass alleine bereits dieses Level und der Umfang an Engagement (das Catering wurde noch gar nicht erwähnt) außerhalb des eigentlichen Barraums sonst fast nur in Bars möglich wäre, die in London oder Singapur sitzen und selbst dort eher Hotelbars (5* natürlich) oder Restaurant-Bar-Kombis mit mind. 2 Michelin-Sternen vorenthalten wäre. Was Konzepte abseits des erwähnten betrifft, erinnert es mich noch am ehesten (vor allem mit dem Suntory-Privé) an das Cravan-Projekt in Paris, die "Maison de Cocktail" in Kooperation mit Moët Hennessy in einem eigenen, schicken Stadthaus der Rive Gauche, über 5 Stockwerke. Aber es ist eben in Zürich und Zürich ist seit mind. 3–4 Jahren in den großen internationalen Bar-Rankings sträflich underrated, wie ich hoffentlich schon deutlich genug im No Idea-Artikel vermittelt habe.

Copyright: Bar am Wasser

Kommt man vor der Bar am Wasser an, denkt man von dem, was man bereits vom Interieur sieht, der Lage direkt am Wasser und dem Gebäude in der sie sich befindet direkt, man wäre auf eine schicke Hotelbar gestoßen. Aber es ist tatsächlich nur ein übliches, historisches Züricher Stadthaus, mit top Aussicht eben. Die Bar ist sehr durchdesignt, wie bereits erwähnt könnte man an eine geschmackvolle Hotelbar denken, zeitlos, textile, weiche Oberflächen treffen auf glänzenden Marmor und Granit. Eine Reihe an kleinen Tischen, an moderne Restaurants erinnernd, liegt an der gegenüberliegenden Wand, Sofa-Tisch Gruppierungen gegenüber, sich hinziehend zu einer überraschend kurzen Bartheke mit cooler, 2-stöckiger Backbar.

Einerseits gefallen mir die Petrol-farbigen Akzente gut, auch die Lampen mit leichtem Art Deco-Flair machen was her und die Shaker an der Wand (siehe Fotos) sind nicht nur nette Deko, sondern tatsächlich geschickt von befreundeten Bartendern aus aller Welt. Viel Aufwand, Detailverliebtheit und vor allem auch Geld ist hier offensichtlich hineingeflossen.

Nach dem Ankommen wird man ähnlich einem Restaurant gebeten kurz auf den Service für einen Platz zu warten. Das Personal ist fein angezogen, die Bartender tragen Hemd, Krawatte und feine Schürze. Was mir vor allem gefällt und nicht immer typisch ist in schickeren Bars, die gerne ihre Stammgäste hofieren: Keine Reservierungen (nur für ab 10 Leute dann in den Separees, wie beschrieben).

Zur Begrüßung gibt es ein flüssiges Amuse-Bouche, dessen Inhalt ich mir leider nicht notiert habe, aber noch grob mit Zitrus und Tee-Noten im Kopf habe. Erfrischend und immer ein nettes Zeichen, dass es auch im No Idea und sonst nur wenigen Bars gab, die ich bisher besuchen konnte. Auch an Restaurants erinnernd, die Karte ist getrennt in die reine Cocktailkarte (inkl. ein paar ausgewählten Spirits) und einer zweiten Karte mit Food, voller Wein- und Spiritliste, sicherlich auch um einfacher Cocktails austauschen zu können.

Während ich da war, hatte das Menü kein spezielles Konzept in dem Sinne. Die Bar am Wasser hat schon einige Jahre eine Partnerschaft mit Hublot, dem Luxusuhrenhersteller und präsentiert mehrere Drinks direkt gesponsort auf einer Seite. Ungewohnt, aber ganz ehrlich, fände es unterhaltsamer mal ein Menü in einer guten Bar, sponsored bei z. B. Gucci zu sehen, als ständige Verträge mit den tatsächlichen Herstellern der Spirituosen, was zwangsweise eher zu kreativer und Zutaten-bezogener Einschränkung führt. Interessant ist die Möglichkeit, mit ein paar Franken Ersparnis ein 3- oder 5-Gang-Menü an Drinks, dann zusammengestellt anhand der kulinarisch schlausten Reihenfolge, durchzutesten. Des Weiteren gab es neben den Signature Drinks, sortiert nach High und Low-ABV noch eine À la Carte-Seite mit weiteren Signatures und Riffs auf Klassikern, die wiederum nach Base Spirit sortiert war.

Herausragend und speziell zu erwähnen ist einerseits die Saké-Auswahl, aus einer speziellen, schön designten Seite (siehe unten) inkl. Japankarte gibt es 5–6 offene und einige weitere Saké zur Auswahl. Außerdem scheint man Fan aka Partner von Monkey 47 zu sein, denn man hat ein Dutzend Vintage Jahrgänge da, sowie die Experimentum Series in ihren verschiedenen Abfüllungen. Dass man in Zürich und solch einer Bar natürlich auch top Champagner per Flasche bekommt, ist eh klar.

Das Essensmenü war etwas überraschend eher Richtung Snacks und Starter-Größe orientiert. Hier wäre es sicher spannend auch aufwendigere Speisen mit aufzunehmen und vielleicht sogar, ähnlich wie ja auch bei den bereits zahlreichen Events, mehr Food Pairing einzubauen. Der probierte Cheesecake war absolut fantastisch und das kommt von jemandem, der Käsekuchen-Tasting und -Kritik ernst genug nimmt, dass es zwar nach Cocktail- und Pizza-Ratings kommt, aber vor fast allem anderen.

Walnut

| Walnut
| Maple
| Old Grapes

Die Walnüsse werden hier geröstet, per Sous Vide mit dem Bourbon vermählt, die Old Grapes sind ein wundervoller P.X. Sherry namens Aurora von der Bodegas Yuste. Den durfte ich auf Nachfrage auch gratis probieren und mich von den klassischen Pedro Ximenez Stärken überzeugen, Rosinen, Datteln, Feigenmarmelade und Nüsse überall. Zusammen mit dem Ahornsirup ergibt das einen vollmundigen, doch nie klebrigen, eleganten und abgerundeten Drink. Ein Cocktail, der mehr darin aufgeht, wie gut die Aromen zusammenspielen, da sie so nah beieinander liegen, als besonders viel gegeneinander wirkende Komplexität zu haben. Einer, bei dem man ganz in Ruhe auch Zuhause vor dem Kaminfeuer mit im Sessel versinken könnte. Sehr lecker und auch nicht so einfach zu machen, dass er nicht zu pappig süß wird.

Habanero Negroni

| Agave
| Habanero
| Cilantro
| Grape
| Wormwood

Hier haben wir einen Mezcal Negroni, zubereitet in Kombination mit einem per Rotovap verfeinerten Habanerospirit, sowie Cilantro Bitters. Ob die „Grape“ einfach den Wermut meinen, weiß ich leider nicht. Was ich weiß, ist, dass wir hier einen sehr präzisen und gut balancierten Negroni Riff vor uns haben. Ähnlich wie mein indischer Spice-Negroni im No Idea einen Tag später: pikant, aber nie brennend, auch die leichte Fruchtigkeit der Habanero einfangend. Dazu die grüne Würze des Korianders, dezente Bitterorangen, Wermutnoten. Komplex und einer, bei dem man auch mit kleinsten sips lange und in Ruhe im Mund eine Entdeckungsreise beschreiten kann.

Die Bar am Wasser hat mich doch staunen lassen, was alles an Aufwand möglich ist, mit dem offensichtlich nötigen Backing dahinter. Umso mehr freute es mich, als sehr schnell die Realisation kam, dass eben jenes Geld und der Aufwand hier sehr gut eingesetzt wurden. Es wurde auf die richtigen Dinge geachtet, die korrekten Details bedacht, überall darüber hinaus auch Leidenschaft eingebracht, statt nur Bling Bling "und dann wird es schon laufen", wie es zu oft anderswo zu finden ist. Der Service war der Umgebung mehr als angemessen, die kleinen Aufmerksamkeiten erfrischend, die Drinks oberstes Niveau. Als großer Fan durchdesignter Menüs fände ich es spannend beim nächsten Besuch nochmal ein thematisch spezifischeres Menü vorzufinden, wie das aus dem Jahr davor, das man mir netterweise als Andenken abgetreten hat, voll toller Zeichnungen zum Reisethema. Aber das wäre auch nur die Kirsche auf der schon vorhandenen Kirsche auf der Torte.

/rds


Teile des damaligen Menüs (anklicken für Originalgröße):

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