#55 | Candelaria, Paris, France
Last Visit: Fall 2023
Hotspots mexikanischer Essens- und Trinkkultur sind nicht unbedingt das Erste, an das man bei einem Parisbesuch denkt. Und doch hat Paris sogar zwei von letzterem, über die La Mezcaleria hatten wir bereits geschrieben und nun wird es endlich mal Zeit für den OG, die Candelaria. Nach dem Little Red Door quasi der Pariser Dauergast in den World's 50. 2011 eröffnet, schon ein Jahr später in jene wichtige Liste geschafft, nochmal ein Jahr später gar unter die Top 10 darin und weiter Dauergast bis 2018! Dazu dann noch ein Comeback in der erweiterten 100er-Liste vor zwei Jahren.



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Eine mehr als passende Nachbarschaft hat sie dabei auch, denn sie liegt mitten in Marais, einem der typischen Ausgehviertel und insbesondere einem der Barzentren von Paris. Hier kann man fußläufig alleine 2–3 Abende lang Bartouren beginnen und hat trotzdem mehr als genug zum Abarbeiten.
Nähert man sich der Candelaria Bar selbst, kann es durchaus zu etwas Verwirrung kommen. An einer der zwei Häuserfronten des Eckhauses, mit abgedunkelten Glasfenstern, glänzt bereits der goldene Schriftzug, an dem vorbei man durchaus aber bereits das Innere der Bar sieht. Geht man um die Ecke, folgt jedoch nach kurzer Zeit bereits ein im Kontrast zu dem dunklen Glas recht strahlend weißer, heller Taco-Laden. Zu weit gegangen, was übersehen? Nein, denn erst durch die Taqueria hindurch findet man hinter einer schwarzen, unscheinbaren Tür das ersehnte Ziel. Durch die einsehbaren Fenster und den Schriftzug um die Ecke, ist das nun wirklich nicht mehr Speakeasy, ganz lässig und vor allem lecker und praktisch ist das trotzdem allemal.
(Menüfotos anklicken für Originalgröße:)
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Praktisch, da man dadurch natürlich auch passend in der eigentlichen Bar ein paar – wenn auch nicht alle – Gerichte der mexikanischen Küche aus der Taqueria genießen kann, vornehmlich Tacos, Tostadas, Nachos, diese wechseln öfter munter durch. Ähnlich wechselfreudig ist das immer schön bunt und zugleich durchaus nett designte Cocktailmenü, schon alle 3–4 Monate wird ein Großteil ausgetauscht oder ergänzt, neben anderen Wochen- und Eventdrinks. So sind immer 12 Drinks auf der Karte, klassisch für jeden Geschmack etwas, Old Fashioned-Riff, kreative Milk Punches, Long Drinks, natürlich gerne – aber nicht ausschließlich – mit Fokus auf Agave-Spirits. Mit dabei sind natürlich auch mal öfters speziell mexikanische Lieblinge der Küche: Jalapeños, Koriander, etc., you know the drill.
Beeindruckender als der wechselnde Output der Signatures ist dann vor allem das „Agave Menu“, 8 Seiten wundervoller Möglichkeiten in das Nerdtum über die inzwischen weltweit so geliebte Pflanze abzutauchen. Stylisch designt und passend unterteilt in Geschmacksrichtungen à la „Earthy“, „Sweet“ und so weiter. Ein paar andere, noch eher nischige lateinamerikanische Spirituosengattungen gibt es am Ende sogar auch noch. Die Beratung zum Menü ist selbstverständlich, wenn auch in einer so aktiven und gut besuchten Bar natürlich kein viertelstündiger Vortrag für den Connaisseur möglich ist. Sei’s drum, innerhalb kürzester Zeit wurde mir natürlich direkt aufs Haus der liebste Craft-Mezcal vom Bartender zum Probieren gegeben, was will man mehr?


Apropos sowohl „Bartender“, als auch „gut besucht“. Bei meinem letzten Besuch hat für mich Louis Lebaillif den Shaker bedient und dabei wundervoll gute Laune versprüht, ein paar Jokes inklusive. Gleichzeitig ist die Bar durch die große Bekanntheit und Beliebtheit, sowohl bei Touristen als auch Parisern selbst, immer gut gefüllt und durch ihren leicht Höhlen-artigen Bau stets mit guter Lautstärke belebt, von der Musik noch ganz abgesehen. So gibt es jetzt nicht unbedingt die Gelegenheit in Ruhe mit Personal zu resümieren oder ähnliches, dafür ist dies aber auch schlicht nicht die richtige Bar.
Robustes Interieur, steinerne, massive Säulen dazwischen, lateinamerikanische Touches hier und da durch Felle und gestrickte Kissen sowie Gruppentische. Dies ist eine Bar für mächtig viel gute Laune, eine Bar für das Feiern und sei es nur das Feiern des Feierabends. Hier kommt man mit Freunden hin oder zumindest schon besser bekannten Kollegen und hat Spaß, mit dafür wiederum weit überdurchschnittlichen, oft herausragenden Drinks.
XXX
| Pink Pepper Infused Bourbon
| Pomegranate
| Orange Flower
Spannender Drink, irgendwo zwischen einem Old Fashioned und sehr trockenem Gimlet durch das Cordial und das ganze dann nochmal mit Milch geklärt. Die Portion war ein wenig dürftig in einem besonders kleinen Rocks-Glas mit großem Cube, dafür schöne pink-orangene Farbe und ein tolles Aroma mit fruchtiger Spicyness. Ich hätte ihn echt gerne mal einfach ohne die Klärung bzw. als nicht-Milk Punch probiert. So ist er sehr balanciert, nicht zu spicy, leicht süß, aber auch mit ein wenig Frische dabei vom Orangenblütenwasser (im Cordial). Ich persönlich präferiere da natürlich intensive Würze, die sicher auch gut zum edgy Namen gepasst hätte. Trotzdem eine coole Kombi an Aromen (übrigens ist auch ein Hauch Talisker drin) und nette dezent kulinarische Kreation.
Café Tropicana
| Mezcal
| Coconut
| Dark Chocolate
Der Drink hat mich direkt begeistert, mit seinem deftigen, voluminösen Körper, dem man den Fatwash sofort anmerkt und das auf positivste Art. Eine buttrige Textur, aber trotzdem schön dezent bitter von einem Bitterlikör (Fusetti) und der Bitterschokolade durch den Mozart Dark Chocolate. Zusätzlich mit dem Erdigen des Mezcal und dem Kokosnuss-Aroma erinnert er tatsächlich ein wenig an Mokka-Noten, wobei der Name an ein Café und nicht das Getränk Kaffee selbst angelehnt ist. Toller, nicht zu überladener, sondern genau abgestimmter und voluminöser Cocktail mit eleganter Tropik.
Die Candelaria schafft es, eine sehr gute Balance aufrechtzuerhalten. Eine Balance zwischen eher lockerer und feuchtfröhlicher Stimmung und durchaus seriösem, gut-durchdachten Konzept. Die meist laute und intensive Stimmung trifft auf die Möglichkeit sich Wochen durch Craft-Spirituosen zu tasten, Tequila-Shots treffen auf sehr gut gemachte Signature Drinks mit kulinarischen Einflüssen. Das Design und der „Vibe“ der Bar waren bei meinem ersten Besuch vor inzwischen 7 oder 8 Jahren einer der Gründe, warum ich mit meinen damaligen Präferenzen möglicherweise auch die Drinks nicht richtig genießen konnte.
Inzwischen, mit mehr Offenheit gegenüber der Breite an Konzepten, aber auch einfach mehr Lust mal in der guten Laune fremder Menschen aufzugehen, sowie noch spannenderen Drinks als damals, ist die Candelaria Bar doch in die Highlights der Stadt eingezogen, was mein persönliches Ranking angeht. Wer nur einen Hauch Offenheit für Agave mitbringt oder sich gar eines Besseren belehren lassen will bezüglich schlimmer Erinnerungen an die Jugend und auch einfach nur top Stimmung in seinen Bars mag, der möge unbedingt hier vorbeischauen beim nächsten Paris-Trip.
/rds
Auszüge aus dem Agaven-Menü (anklicken für Originalgröße):