#59 | Stjärtilleriet, Stockholm, Sweden
Last Visit: Spring 2025
Ich bin zum ersten Mal in Stockholm, Schweden, und obwohl ich (fast) alle bekannten und berühmten Bars der Stadt besucht habe, möchte ich, literally, mit einer Salve unerwarteter Geschmacksintensität aus meiner Lieblingsbar der Stadt eröffnen. Das Stjärtilleriet besticht durch beeindruckende Qualität, und das trotz Hochbetrieb und erstmal unscheinbarem Konzept.
Die Bar befindet sich auf der rechten Seite des schwedischen Armeemuseums (das ich am Tag danach besuchte, leider sowohl inhaltlich als auch ästhetisch etwas veraltet) und verfügt über einen großen Terrassenbereich sowie einen Innenraum, der optisch einem gutbürgerlichen, mitteleuropäischem Wirtshaus nahekommt. Die unmittelbare Assoziation wäre in etwas klassisch edler die Goldene Bar in München, die sich ebenfalls in einem richtigen Museum befindet und nicht durch jenes Museum in ihrer Kreativität eingeschränkt bzw. sonderlich beeinflusst wird.
Als ich vor Ort war, ging draußen gerade das Streetfood-Festival Håll Käftival zu Ende. Vielleicht war das der Grund dafür, dass jeder einzelne Platz an jedem Tisch besetzt war und eine lebhafte Atmosphäre herrschte. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass das Wetter besser wurde und die Stunden am Tag länger wurden – ein nationales Ereignis, das Schweden in diesen Sommerwochen wie ein völlig anderes Land erscheinen lässt. Ich muss sagen, dass ich die Servicementalität in Stockholm einfach liebe, selbst wenn kein Platz mehr frei ist, wird jeder Gast respektvoll behandelt (wie es in zwei anderen Bars an meinem ersten Tag auch der Fall war). Hier hatte ich Glück, denn es gab noch einzelne Plätze an der Bar und die meisten anderen Leute kamen in Gruppen.
Die Bilder unten sind etwas ruhiger und heller als zu der Zeit, als ich dort war. Obwohl es eine "Omakase"-Option für Cocktails auf dem Menü gibt, würde ich keinen umfangreichen Dialog mit dem Personal über jeden einzelnen Drink oder jede Zutat erwarten. Sie beantworteten jedoch alle meine Fragen umgehend, und es muss gesagt werden, dass die Fähigkeit, Cocktails dieser Qualität in der großen Location, zu liefern, Respekt verdient.
Es gibt auch ein richtiges Restaurant (mit verschiedenen Optionen für Brunch und Abendessen sowie Weinen und dergleichen) auf der anderen Seite des Innenhofs. Während meines Besuchs war es geschlossen, aber wenn dort die gleichen Cocktails in einer gehobeneren Umgebung serviert werden, würde ich einen Besuch in Erwägung ziehen. Die Speisekarte sieht mehr als vielversprechend aus.



Copyright: Thatsup
Während das Restaurant und der Ort selbst eher für ernste Atmosphäre stehen, kontert das Stjärtilleriet mit cartoonhafter Ironie. Die gesamte Website und das Design der Speisekarte sind ein reiner Spaß und für mich auch ein Beispiel dafür, wie selbst eine einfache Papier- oder Online-Karte charmant sein kann, ohne dass man viel Geld in die Produktion investieren muss. Fermentierung, Sammeln, lokale Zutaten – all das spielt eine Rolle, und in Schweden ist das nicht nur ein Trend, um auf die Liste der besten Bars zu kommen, sondern auch eine Möglichkeit, die Kosten für die Zutaten zu senken. Es hilft natürlich, dass man sich hier bei der Zubereitung wahrscheinlich auch auf die Restaurantküche verlassen kann.
Ich glaube, es würde niemanden überraschen, aber Cocktails sind hier in Stockholm nicht unbedingt beliebt oder alltäglich, außer vielleicht als Luxusprodukt, das man als Statussymbol genießt. Getrunken wird in der Regel in Verbindung mit Essen (dazu gab es übrigens eine interessante Ausstellung im Nordischen Museum), und Cocktails können schnell teuer werden. Vielleicht ein weiterer Grund, warum der Service so weit oben auf der Prioritätenliste steht, denn das Erlebnis für den Gast muss das ausgegebene Geld wert sein.
Small Horse
| Plum I Suppose
| Plum Blossom
| Fermented Honey
Eine Nase voller Wildhonig, die Fermentation intensiviert nochmal das ganze Aroma, das aus der feinen Coupette steigt. Blumig, aber auf eine komplexe Art und Weise, nicht nur zarte Blütenblätter, sondern mit Tiefe dahinter, schwedische Sommer sind auch auf diese Weise eigenartig. Man würde nicht sofort an Pflaume denken, aber genau wie bei einem Parfüm verleiht sie dem Drink eine alkoholische Komplexität. Mit der Zeit verschmilzt der Honig zu einem Met-ähnlichen Geschmack. Ich habe keine Ahnung, wann und wie das Team in der Location Zeit hat, geschnitzte Eiswürfel zu machen, aber die Qualität ist (wie überall in der Stadt) ausgezeichnet. Mir gefällt auch die große Coupette, etwas, das man in einer holzgetäfelten japanischen Bar erwarten würde, aber vielleicht nicht in einem "Museumspub" mit einem "gekritzelten" Menü. Empirical Spirits zu verwenden ist eine coole Entscheidung, wenn man dann bedenkt, dass der Preis fast fair ist. (Alle Getränke kosten 179 kr, also etwa 24 EUR)
Espresso Martini On Steroids
| Caramelized Taggiache Olives
| Mr. Black Coffee Liqueur
| Tanzanian Dark Chocolate Foam
Normalerweise würde ich mich nicht für einen Drink entscheiden, der bereits in den Rezensionen von Scharen von Touristen "angepriesen" wird, aber dieser wurde auch von dem sachkundigen Team im Othilia empfohlen. Es ist auch der einzige Espresso Martini, den ich auf dieser Reise getrunken habe und am Ende war es doch mein persönlicher Lieblingscocktail. Oliven, erdige Schokolade, süßzuckriger Kaffee, alles ausgewogen in vollem Umami mündend. Die Oliven zerrieben oben auf dem Glas erinnern mich an Lakritz, und das muss man einfach mögen. Aber wenn man keine Lakritze mag, wird man die Kombination von Oliven und Schokolade wahrscheinlich sowieso nicht mögen.
Es gibt auch eine "normale" Version des Espresso Martini auf der Karte, daher der Name mit Augenzwinkern hier, obwohl auf der gedruckten und der Online-Karte unterschiedliche Zutaten aufgeführt sind. Hier ist kein Wodka aufgeführt (wie man oben sehen kann), aber als "seriöse Mixo-Autoren", die wir sind, haben wir natürlich "nachgeforscht" (heißt wir haben das Team gefragt, die uns gerne Auskunft gegeben haben). Auf der Online-Karte steht Absolut Vodka, während es sich in Wirklichkeit um Koskenkrova ClimateAction Vodka aus Finnland handelt, dem Karamell, Taggiasca-Oliven und Vanille hinzugefügt wurden. Dann wird der Mr. Black zum Rühren hinzugefügt und der Schokoladenschaum mit zusätzlichem Kaffee und Koriandersamen finalisieren den Drink.
Ohne zu viel über die anderen besuchten Bars zu verraten (darunter A Bar Called Gemma, Lucy's Flower Shop, Röda Huset, Othilia …), macht die schlichte Exzellenz dieser Drinks und die Art und Weise, wie sie lokale Produkte repräsentieren können, Stjärtilleriet zu meiner bisherigen Lieblingsbar in Stockholm. Ich kann mir nur vorstellen, dass es im Restaurant oder an einem ruhigeren Tag noch viel mehr über Techniken und Methoden zu lernen gibt, und es ist auch eine perfekte Gelegenheit für Besucher, das Museum mit der Bar zu verbinden (die bereits um 16:00 Uhr öffnet). Viele der anderen Bars preisen ihre "hausgemachten Zutaten" an oder betonen, dass sie schwedische Traditionen pflegen wollen, doch einige von ihnen waren entweder zu flach oder schlichtweg enttäuschend. Der einzige Ort, an dem sich die Cocktails tatsächlich wie etwas Einheimisches anfühlten, war ausgerechnet ein Militärmuseum mit einem Menü, das wiederum ganz und gar nicht "seriös" aussieht und sich nicht zu ernst nimmt. Wenn ich etwas zu verbessern hätte, dann wäre es die Kommunikation über Veranstaltungen (wie z. B. das Streetfood-Event) für Reisende und internationale Gäste, da viele wichtige Informationen in so einem umfangreichen Gesamtkonzept, sowie in dem kunstvollen und lustigen Design und dem geschäftigen Service untergehen können.
/jf