#17 | Sherry Butt, Paris, France


Last Visit: September 2023

Dieses Mal wollen wir über eine wahre Pariser Perle berichten, die ich diesen Sommer glücklicherweise bereits ein zweites Mal besuchen konnte, um meinen ersten Eindruck fast 5 Jahre zuvor erneut zu bestätigen: Sherry Butt hat es einfach drauf.

Gelegen im Süden des Pariser Szeneviertels Le Marais, hat das Sherry Butt nun schon deutlich sein 10-Jähriges hinter sich und kann damit in Paris, in dem insbesondere die letzten 4-5 Jahre nochmal viel passiert ist, durchaus als kleines Urgestein angesehen werden. Von jenen Gründungsmitgliedern ist nur noch einer da, Olive, und manche Tradition führt er seit Beginn fort, beispielsweise für jeden Drink eine andere Spirituosenkategorie zu nutzen. Was ist abseits dieses Fun Facts zum Menü besonders am Sherry Butt? Äußerlich zunächst nicht viel, die Bar ist sehr dezent aufgemacht, ein kleines, sehr hübsches Holzschild mit dem Logo verrät, was sich hier hinter der grauen, unauffälligen Fassade verbirgt.

Im Innenraum setzt sich der Eindruck ungefähr fort, man setzt nicht auf flashy Dekor oder fancy Blickfänger, wirkt aber auch alles andere als schäbig. Bodenständig, aber hochwertig, mit den kleinen, aber feinen Designdetails. Ich muss immer an eine nette Heritage-Whiskybar in Brooklyn, NYC denken, mit dem Hauch Japan-Flair in den Details, wie manchen Lampen, usw.

Die Erinnerung an eine Whiskybar kommt dabei nicht von ungefähr, schon im Eingangsbereich sieht man an den schmalen Emporen entlang der Wand so einige Whiskyflaschen. Weiter geht es am Anfang der Theke mit einem guten Dutzend, bevor man auch als nicht-Whiskynerd begeistert den Blick zur Backbar wendet und sofort erkennt: Standard ist was anderes. Besondere Fassfinishes, Single Casks und auch exotischere Whiskys sind hier Tagesprogramm, auch verewigt in der seperaten Whiskykarte, wie es sich für solch einen Ort des malzigen Trinkgenusses gehört.


Wenn man durch jenes Whiskymenü blättert, bestätigt sich der Eindruck: Der Fokus liegt einerseits auf durchaus auch selteneren Scotch Single Malts, interessante Finishes und auch ein paar unabhängige Abfüller, Vintage ist weniger dabei, vermisst man bei der Auswahl aber auch nicht. Außerdem ist der eigentliche Star die Auswahl japanischer Whiskys, seltene Chichibu Single Casks (eine meiner liebsten Brennereien weltweit) findet man hier, aber auch mal besondere Abfüllungen der größeren Brennereien aus Japan (in Nikkas und Suntorys Händen). Whisky Flights und eine top Beratung sind dabei natürlich Ehrensache, generell ist der Service extrem angenehm, locker, aber seriös und bisher hatte ich im Sherry Butt auch immer die Erfahrung das perfekteste Englisch in der Gastro der Stadt zu hören, manchmal in Pariser Bars außerhalb von großen Hotels tatsächlich noch ein kleines Problem, bzw. Geduld erfordernd.

Das Cocktailmenü könnte in gewissem Sinne nicht typischer Paris sein, wie fast überall in der Stadt "nur" 10-14 Drinks, dafür werden auch fast (dazu unten mehr) alle halbjährlich ausgewechselt. Wie bereits erwähnt wird bei jedem Drink mit einer neuen Spirituosenkategorie gearbeitet, was große Abwechslung verspricht, sowie hausgemachten Sirups, Cordials, Reduktionen, usw. Wie auch oft in Paris (aber nicht nur dort) sind die Drinks in der Sommersaison im Schnitt schon sehr frisch und Sour/Highball-lastig, Old Fashioned und Manhattan Nerds wie ich macht dies aber absolut nichts aus. Wir haben ja genug Whiskys diversester Art für handwerklich perfekt abgestimmte, auf einen zugeschnittene Old Fashioneds & Co. Als bei meinem Besuch, da sehr warm und Hochsaison, die fertigen Softdrinks als Erfrischung in dem Moment ausverkauft waren, hat man mir spontan eine absolute top hausgemachte Limonade hingezaubert, schön so Spontanität zu sehen.

Frequency:

| Calvados
| Umeshu
| Campari
| Verjus

Mit der Säure durch den Verjus ist er rein auf dem Papier für Negroni-Nerds vllt. offiziell keiner mehr, aber im Geiste ist er durchaus eine wundervolle Sommerinterpretation eben dessen. Ein bittersüßer, aber dabei seidig-leichter Antritt, dahinter frisch-fruchtiger Apfel, junge Pflaume, die Bitterkeit ist toll abgestimmt und abgeschliffen. Alles stimmt hier, um Negronis auch bei hohen Temperaturen wundervoll spannend und genussvoll zu halten.

Ronin:

| Japanese Whisky
| Madeira with Pandan
| Oloroso Sherry
| Champagne & Thé Fumé
| Sel Noir

Serviert mit einer wundervollen, handgeschnitzten Eiskugel - Grüße direkt aus Japan - haben wir hier tatsächlich einen der komplexesten und spannendsten Signature Old Fashioneds (gut, leicht gestreckt die Definition hier), den ich die letzten Jahre probieren konnte. Wobei er selbst meinen ersten Besuch bereits miterlebt hat, denn der Ronin ist quasi seit Beginn der Bar ein Staple und der eine stets verbleibende Drink auf dem Menü, auch im Sommer, sympathisch. Nikka From The Barrel, dazu etwas Pandan-infused Madeira und trockener Oloroso, sowie ein Champagner + Lapsang Souchong-Sirup und etwas schwarzes Salz.

Nichts für Anfänger, denn er ist genial komplex und auch mit den Weinen relativ mächtig. Ein deutlich malziger Antritt, dann kommen die Trockenfrüchte des Madeira, helle Nüsse, trockene Champagnernoten, aber auch die Pandan-Popcorn-Süße, im letzten Viertel dann ein Hauch Salz und Rauch. Mehr Geschmacksnoten kann man nicht mehr in einen Drink packen und eine wahre Kunst, dass er hierdurch nicht zu chaotisch wird, sondern noch genau an der richtigen Stelle zusammengeführt wurde.

Paris besticht mit einer inzwischen riesigen Bargemeinschaft, von Bar-Restaurant Konzepten, zu Speakeasies und den allerschicksten Hotelbars, gut 25-30 Bars für den nerdigen Barfly, um nur bereits die interessanten vorsortierten miteinzurechnen. Dabei schafft es das Sherry Butt trotzdem seit nun über einem Jahrzehnt immer unter den allerersten Namen in der Stadt zu sein, wenn ich nach Tipps für ihren Trip gefragt werde. Der lockere Style, als auch Stimmung, das handwerkliche Niveau hinter den Drinks, aber auch die Wahl auf möglichst diverse Spirituosen zu setzen, damit für jeden etwas dabei ist, macht es zu einer Bar, die schlicht jedem etwas geben kann in Sachen Geschmack und schlicht eine gute Zeit haben.

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